0856 - Leas Hexenladen
Ihnen. Ja, ihr habt mich beobachtet, erinnern Sie sich?«
»Vage«, erwiderte ich.
Lea schaute mir in die Augen und schüttelte den Kopf. »Ich merke auch, wenn jemand lügt, und Sie haben mich eben angelogen. Sie sind nicht zufällig hergekommen, Sie haben mein Geschäft bewußt betreten, Mr. Sinclair.«
Überraschung darüber, daß sie meinen Namen kannte, zeigte ich deshalb nicht. Ich hatte damit gerechnet, daß sie mich kannte, und ich sagte: »Ich freue mich, daß Sie ehrlich sind.«
»Das mußte ich doch sein.«
»Inwiefern?«
»Ganz einfach, John Sinclair, ganz einfach. Glauben Sie denn, ich hätte Sie vergessen? Es geht nicht um das Versprechen, das ich Ihnen gab, ich habe in den vergangenen Jahren die Augen immer offen gehalten, als ich durch die Welt schritt. Ich habe viel gehört und auch viel gelesen. Ihr persönlicher Werdegang ist mir nicht entgangen. Ich war oft auf dem laufenden, auf der Höhe der Zeit, und es stand für mich fest, daß wir uns wiedersehen würden, denn da ist noch etwas zurückgeblieben, wie Sie ja auch wissen, John.«
»Sie haben uns damals etwas versprochen.«
»Das stimmt. Ein Versprechen habe ich bereits eingelöst oder es einlösen lassen.«
»Mike ist tot.«
»Es mußte so sein. Ich wäre unglaubwürdig geworden.«
»Aber ich lebe.«
Lea nickte mir zu und lächelte dabei. »War es nicht eine wundersame Fügung des Schicksals, die uns hier zusammengeführt hat? Ich zumindest freue mich darüber. Auch wenn Sie sich verändert haben, Sie sind im Prinzip doch derselbe geblieben. Ihre Aura hat sich nicht verändert, sie ist sogar noch stärker geworden. Sicherlich stehen Sie unter dem Schutz eines besonderen Talismans, aber das wollen wir dahingestellt sein lassen.« Sie räusperte sich. »Ich zumindest finde es wunderbar, daß wir uns wieder getroffen haben.«
»Wobei Sie noch so aussehen wie früher.«
»Ha, ha…« Ihr Lachen schallte durch den Raum. »Sehen Sie, das ist eben der Unterschied zwischen uns beiden. Sie sind ein normaler Mensch, aber ich bin es nicht, obwohl ich so aussehe. Ich habe die Natur überlisten können. Ich, Lea, bin auf eine gewisse Art und Weise alterslos, und das macht das Leben so spannend.«
»Was ist der Grund?«
»Oh, Mr. Sinclair. Sie glauben doch nicht, daß ich Ihnen meine intimen Geheimnisse verrate. Einige Überraschungen und Rätsel müssen doch bleiben, denke ich mir. Sonst wäre das Leben doch wirklich zu fad, finden Sie nicht auch?«
»Das ist Ansichtssache.«
»Nun ja, Sie haben mich gefunden, ich habe Sie gefunden, und wir beide sind wohl gespannt, wie es weitergehen wird. Wir sitzen hier und plaudern, und ich gebe Ihnen keinen Grund, mich anzugreifen oder anderweitig gewalttätig zu sein. Ob Sie es mir glauben oder nicht, ich habe mich auf Ihren Besuch gefreut.«
»Ich weniger, da bin ich ehrlich.«
»Klar. Aber ich darf Ihnen einen Vorschlag machen, Sinclair.«
»Ich höre.«
»Lassen wir es darauf ankommen. Beginnen wir sehr bald mit dem Spiel, das eine Nacht lang andauern wird. Wer den anderen Morgen erlebt, der hat gewonnen. Es wird nur einen Sieger geben. Das bin entweder ich, oder das werden Sie sein.«
Ich überlegte nicht lange. Natürlich würde sie mit allen Tricks arbeiten, von denen sie bestimmt einen in der Hinterhand hielt. Aber ich würde nicht kneifen, obwohl ich fragte: »Was ist, wenn wir uns jetzt in den Wagen setzen und wieder von hier verschwinden?«
Für einen Moment schien selbst Lea überrascht zu sein. »Moment mal, wollen Sie das wirklich? Ist das Ihr Ernst?«
»Ich ziehe es in Betracht.«
»Nein, nein, so dumm können Sie nicht sein. Gehen Sie einfach davon aus, daß ich Sie beide nicht entkommen lassen werde. Dieser Ort ist unsere Arena. Hier werden wir den Kampf ausfechten, und es wird nur einen Sieger geben.« Sie streckte mir die Hand entgegen. »Schlagen Sie ein, Mr. Sinclair.«
Ich zögerte. Hinter der Hexe stand Maureen. Sie wirkte so, als wäre sie zu Eis erstarrt. Natürlich hatte sie alles gehört, und sie würde sicherlich nicht so optimistisch denken wie ich. Eine Sicherheit, wie Lea sie an den Tag legte, konnte andere verunsichern.
»Nun…«
Ich nahm ihre Hand.
Zum erstenmal seit meinem Eintritt kam es zwischen uns zu einer Berührung, und ich dachte darüber nach, was ihre Hand wohl war. Sie war anders. Ein leichtes Brennen durchzuckte meine Finger. Die Haut fühlte sich glatt und trotzdem trocken an.
»Okay?« fragte sie.
Ich nickte.
»Dann dürfen Sie mein
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