0856 - Leas Hexenladen
Bruder.« Sie fuhr durch ihr Haar. »Im Prinzip nur schwer. Eigentlich weiß ich nur, daß sie eine sehr große Frau gewesen ist, aber nach Einzelheiten darfst du mich nicht fragen.«
»Mir geht es auch so.«
»Man wird eben alt«, sagte sie und lachte leise.
Dann gingen wir auf die Tür zu und öffneten sie. Das Gefühl der Spannung hielt uns beide fest…
***
Über uns begann das Glockenspiel. Eine bekannte Melodie schwang durch den Laden, doch auf sie achtete ich kaum, denn mein Augenmerk galt dem Geschäft selbst.
Wie mußte man sich einen Hexenladen vorstellen?
Ich wußte es selbst nicht. Natürlich hatte ich mir Vorstellungen gemacht, aber die waren eher mittelalterlich, denn hier dampften keine Wässerchen in irgendwelchen Gefäßen, hier brannte auch kein Feuer, es kicherte niemand, es liefen keine unheimlichen Gestalten herum, es war eigentlich alles normal und erinnerte mich mehr an eine Bücherei als an ein Geschäft, in dem es nicht mit rechten Dingen zugehen sollte, verglich ich es mal vorsichtig.
Leise Hintergrundmusik begleitete den Käufer. Es waren mir unbekannte Melodien, die mehr der fernöstlichen Musik zugeordnet werden mußten. Sie erfüllten den Raum, sie störten nicht, man konnte sich schnell daran gewöhnen, wie auch an die Stille zwischen den Regalen und Tischen, auf denen Bücher standen oder lagen.
Die Regale verdeckten einen Großteil der Wände. Die Tische standen in der Mitte des Raumes. Man konnte in Büchern wühlen, aussuchen und auch in einer Sitzecke seinen Platz finden, um zu schmökern.
Das Licht reichte aus. Es fiel aus Strahlern, war aber nicht so stark, daß es uns blendete, wobei ich fand, daß relativ viele Stellen noch im Dunkeln blieben.
Ich war schon ein wenig überrascht, und Maureen erging es nicht anders. Sie hatte die Stirn gekraust, den Arm halb erhoben und deutete auf eine bestimmte Stelle zwischen zwei Regalwänden.
Dort zeichnete sich eine Lücke ab, die allerdings nicht frei war, sondern von einem schwarzen oder anderweitig dunklen Vorhang verdeckt wurde. Es gab hinter diesem wohl noch einen zweiten Raum, und wir beide wurden den Eindruck nicht los, beobachtet zu werden.
»Wir sollten uns so unauffällig benehmen wie irgend möglich«, schlug ich flüsternd vor.
Maureen lächelte, »Und wie geht das?«
»Schau dir die Bücher an. Wir arbeiten uns dann vor bis zu diesem versteckten Durchgang.«
»Gut.«
Es waren Bücher, die sich zumeist mit Themen wie Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung beschäftigten. Normale Themen also und nichts, was uns mißtrauisch gemacht hätte. Ich war davon überzeugt, daß es derartige Bücher auch in anderen Geschäften gab. Hier konnte man nicht mißtrauisch werden.
Viel Frauenliteratur entdeckte ich, aber es gab auch eine Ecke, wo Kinder in Märchen- oder Sagenbüchern stöbern konnten.
Ich kümmerte mich um die Regale. Hin und wieder zog ich ein Buch hervor, schlug es auf, stellte es wieder weg, weil mich von diesen Inhalten nichts interessierte.
Ich fand keinen Hinweis auf unheimliche oder magische Kräfte. Was hier ausgestellt wurde, war völlig unverdächtig. Natürlich entdeckte ich Bücher über moderne Hexen, über Frauen, die den anderen Weg gingen, die eine Heirat und Kindererziehung ablehnten, um sich den uralten Kräften der Natur zu widmen, aber das war ja nicht verboten und hätte dem Geschäft noch lange nicht diesen Namen geben können.
Mich wunderte auch, daß man uns allein ließ. Es waren weder die Besitzerin noch eine Verkäuferin zu sehen. Als ich einmal Maureens Blick auffing, hob sie nur die Schultern.
Dann kam sie auf mich zu. »Es sieht nicht gut aus, John. Soll ich sagen, schon nach einem Irrtum?«
»So schnell wollte ich eigentlich nicht aufgeben.«
»Was sollen wir tun?«
»Das ist nur ein Teil des Ladens. Ich denke, daß wir hinter dem Durchgang andere Dinge finden werden.«
»Wie könnten die aussehen?«
»Laß dich überraschen.«
»Aber du gehst vor.«
»Und ob.«
Wir bewegten uns durch einen etwas breiteren Lichtstrahl, in dem Staub tanzte. Das Licht bildete so etwas wie ein Tor vor dem Vorhang, oder einen letzten Gruß der normalen Welt, die wir nun verlassen würden.
Maureen Simpson hielt sich hinter mir. Ich griff nach dem Vorhang und zerrte ihn zur Seite. Dabei bewegten sich über mir hölzerne Ringe über eine Stange, und dann war meine Sicht frei. Ich konnte in den zweiten Teil des Hexenladens schauen, wo mir zuerst der große Tisch oder Schreibtisch auffiel, an
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