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0857 - Die Schnitterin

0857 - Die Schnitterin

Titel: 0857 - Die Schnitterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Suko.
    »Klar.« Meine Finger hielten bereits den Schlüssel fest. Ich schaute Suko an.
    »Traust du dich nicht?«
    »Doch. Ich wollte nur wissen, ob du ebenfalls dafür bist.«
    »Und ob.«
    Ich drehte den Schlüssel nach rechts durch bis zum Anschlag. Es geschah nichts, aber ich gab nicht auf, drehte weiter und hatte plötzlich eine Sperre überwunden.
    Motorensummen war zu hören.
    Kontrollampen leuchteten auf.
    Dann drehten wir uns um, denn das Geräusch hatte sich verändert. Es war auch nicht mehr so gleichförmig geblieben, einige Unterbrechungen bekamen wir schon mit.
    Wir blieben nicht mehr am Pult stehen. Unser Weg führte uns dorthin, wo wir die Schubfächer in der Wand gesehen hatten. Und sie standen nicht mehr so starr wie sonst.
    Durch das Drehen des Schlüssels hatte ich etwas in Gang gesetzt, das technisch perfekt und gleichzeitig unheimlich war. Aus der Wand schoben sich die Inhalte hervor. Die Schubkästen lösten sich aus ihrer Verankerung, sie schienen von unsichtbaren Händen gezogen zu werden, und wir sahen auch das Blitzen der seitlich angebrachten Metallschienen.
    Keiner von uns sprach ein Wort.
    Wir warteten so lange, bis auch die letzte Lade aus der Wand gefahren war.
    Das Summen verstummte, weil sich der Motor wohl automatisch abgestellt hatte.
    Stille umgab uns.
    Eine bedrückende, eine Totenstille, die genau zu dem Inhalt der Fächer paßte.
    In jeder Lade lag eine Leiche!
    ***
    Suko und ich waren allerhand gewohnt. Dieser Anblick aber schockte uns. Zumindest mir trieb er das Blut aus dem Gesicht. Ich merkte selbst, wie ich blaß wurde, ohne daß ich dabei in einen Spiegel hätte schauen müssen. Mein Hals saß zu. Ich wäre nicht in der Lage gewesen, auch nur ein Wort zu sprechen, und auch in mir lag eine drückende Kälte.
    Aus der Wand waren mindestens zehn Schubladen gefahren, also hatten wir hier zehn Leichen vor uns liegen.
    Wie war das nur möglich? Warum?
    Wer hatte das getan? Mir schossen die Gedanken durch den Kopf, und natürlich dachte ich auch an den verstorbenen Bildhauer.
    »Wir sollten sie uns trotzdem aus der Nähe anschauen«, schlug mein Freund vor.
    »Sicher«, sagte ich.
    Es fiel uns beiden nicht leicht, auf die Läden zuzugehen, aber wir mußten es tun. In den letzten Sekunden hatte sich uns hier etwas eröffnet, über dessen Tragweite wir uns noch keine Gedanken machen konnten. Wir hatten im Keller ein Massengrab entdeckt. Den Friedhof eines Killers, und keine dieser Personen war auf eine natürliche Art und Weise ums Leben gekommen.
    Man hatte sie ermordet.
    Getötet mit Messern, Lanzen oder Schwertern.
    Die Wunden waren nicht verheilt, wir sahen auch das viele Blut, aber wir stellten fest, daß die Leichen nicht verwest waren. Okay, hier unten war es kühl, aber keine Anzeichen von Verwesung an den Körpern und Gesichtern?
    Das wollte mir nicht in den Sinn.
    Ich blieb vor einer Lade stehen. Mit den Händen berührte ich das Ende. Mein Blick fiel auf den Toten. Er lag auf dem Rücken, Mund und Augen geöffnet, die Hände zu Fäusten verkrampft. Gleichzeitig floß mir auch die Kühle aus der Wand entgegen, und ich nahm einiges von meinen Überlegungen zurück.
    Die Toten wurden gekühlt. Der Mörder hatte sich hier ein perfekt funktionierendes Leichenhaus eingerichtet.
    Ihre normale Kleidung trugen die Toten nicht mehr. Man hatte ihnen schlichte weiße Hemden übergestreift, auf denen die Blutflecken besonders makaber aussahen.
    Ich konzentrierte mich auf das Gesicht der vor mir liegenden Leiche. Dabei war ich seitlich an sie herangetreten, um es genau sehen zu können, da mir ein bestimmter Verdacht gekommen war.
    Im Tod sieht das Gesicht eines Menschen immer anders aus.
    Dieser Ausdruck war schrecklich, er war so starr, kein Leben mehr in ihm, aber die Grundzüge des lebenden Menschen waren trotzdem noch vorhanden.
    So auch hier.
    Ich mußte mich erst an das Gesicht gewöhnen und auch meinen Blick von der tiefen Halswunde lösen, durch die dieser Mann gestorben war. Natürlich gelang es mir nicht, die Gefühle alle auszuschalten, aber irgendwo sah ich schon klarer.
    Ich kannte das Gesicht!
    Natürlich hatte ich mit dieser Gestalt, als sie noch lebte, nie gesprochen, dennoch hatte ich das Gesicht vor gar nicht allzu langer Zeit gesehen, und zwar hier unten. Nicht nur auf dieser Bahre, sondern auch beim Betrachten der Figuren.
    Ja, diese Leiche war als Vorbild für eine der Figuren des Bildhauers genommen worden. Er hatte sich die Menschen geholt, sie getötet und

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