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0857 - Die Schnitterin

0857 - Die Schnitterin

Titel: 0857 - Die Schnitterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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steckte etwas anderes dahinter. Er hat nach einem bestimmten Plan gearbeitet, und er hat sich genau die Personen ausgesucht, die sich äußerlich glichen. Ich denke, wir werden in der nahen Zukunft einiges zu tun haben, wenn wir herausfinden wollen, wer die Toten waren. Irgendwie müssen sie ja identifiziert werden.«
    »Richtig. Es ist die einzige Möglichkeit. Und wir werden die Öffentlichkeit einschalten müssen. Es muß einfach Leute geben, die sich an die Toten erinnern.«
    »Das versteht sich.«
    »Eines aber ist mir noch ein Rätsel, Suko.«
    »Was?«
    »Es geht um die Totenfrau mit der Sense, die Mehmet Slater gesehen hat. Also Thornton Brundages Frau. Wie paßt sie in dieses Puzzle hinein? Wenn du so willst, hat sie ihren Mann ja indirekt umgebracht, als sie sich plötzlich materialisierte. Ich komme da nicht mit. Das ist mir eine Etage zu hoch.«
    »Die werden wir finden müssen. Vielleicht über Mehmet Slater. Sie muß ja einen Grund gehabt haben, daß sie ihn überhaupt besuchte.«
    »Sie sieht ihn als Mörder an.«
    »Was ist denn ihr Gatte gewesen?«
    »Frag mich nicht, bestimmt in ihren Augen kein Mörder. Wie auch immer, ich möchte diese private Leichenhalle erst einmal verlassen und auch noch gern mit Rosario reden. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß er nichts gewußt hat. Schließlich hat er sogar, wenn man will, die Schlüsselgewalt bekommen.«
    »Gut, nehmen wir ihn uns vor.«
    Es blieb beim Vorsatz.
    Wir kamen auch nicht weit weg.
    Gleichzeitig erwischte uns der Strom dieser unnatürlichen Totenkräfte. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, als würde das Kreuz auf meiner Brust einfrieren. Es war ebenso schnell wieder vorbei. Zudem lenkte uns etwas anderes ab.
    Wir hatten Besuch bekommen.
    Genau vor der blutbefleckten Schublade stand die Geisterfrau mit der Sense…
    ***
    Beide waren wir sprachlos geworden. Vorhin hatten wir noch von ihr gesprochen, und plötzlich war sie hier, als hätte sie unseren Wunsch gehört und uns deshalb einen Besuch abgestattet.
    Wir taten erst mal nichts und schauten sie nur an. Mir zumindest fiel ihr Kleid auf, das sehr bleich war und vom Stoff her einer Gardine ähnelte, die diese Person um ihren Körper geschlungen hatte. Über den Brüsten war der Stoff zusammengeknotet worden, und die Haut dieser Person unterschied sich in der Farbe kaum von der des Totenkleides. Da machten auch die Haare keine Ausnahme, die wie schmutzige Silberfäden das ebenfalls bleiche Gesicht umrahmten und sich in zwei Innenrollen auf die nackten Schultern gelegt hatten.
    Die Person hatte ihren Kopf nach rechts gedreht. Sie hielt die Sense mit einer Hand nur fest. Der Griff dieser Waffe bildete eine Diagonale vor ihrem Körper. Ob sie Schuhe trug, war nicht zu sehen, denn das Kleid reichte bis über ihre Füße hinweg.
    Für mich war sie das weibliche Pendant des mittelalterlichen Schnitters, eine Schnitterin.
    Die Frau mit der Sense, und ich erinnerte mich wieder an die Wunden der Toten.
    Keiner dieser Menschen war durch eine Kugel umgekommen.
    Alle Körper hatten Schnittverletzungen oder Stichwunden aufgewiesen, die durchaus von einer Sense stammen konnten.
    War sie die Mörderin?
    Amy Thornton hieß sie. Wir hatten sie auf den Bildern und Fotografien gesehen, jetzt stand sie vor uns, und wir wußten nicht mal, ob sie ein Geist war oder ein Zombie, also eine lebende Leiche.
    Feinstofflich schien mir ihr Körper nicht zu sein. Nur einfach bleich.
    Seltsamerweise fühlte ich mich von ihr nicht bedroht. Suko erging es wohl ähnlich, denn sein Blick war ebenfalls normal geblieben.
    Diese bleiche Totenfrau machte einen traurigen Eindruck, einer traurigen Gestalt, als käme sie mit einem Problem nicht zurecht.
    Weshalb war sie gekommen? Hatte sie unsere Spur aufgenommen, um uns ebenfalls zu töten, weil wir das Geheimnis ihres Mannes entdeckt hatten? Es war möglich, obwohl sie trotz ihrer Sense momentan keinen gewalttätigen Eindruck machte.
    Dann hörten wir ihr Seufzen. Es war ein tiefes Geräusch, es klang so echt wie bei einer Frau, die vor dem Grab eines geliebten Menschen stand und Abschied nahm. Sie bewegte auch den Kopf und hielt ihn schließlich so, daß sie uns anschauen konnte.
    Wir senkten die Blicke nicht.
    Ich zumindest konzentrierte mich auf ihre Augen. Ich forschte nach einem Ausdruck, vergeblich, denn die Pupillen blieben glatt und blaß.
    Ihr Mund bewegte sich. Blasse, sehr blasse Lippen, wie mit einem Puder überzogen. Wieder vernahmen wir das tiefe Seufzen,

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