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0857 - Die Schnitterin

0857 - Die Schnitterin

Titel: 0857 - Die Schnitterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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aber es hielt nicht lange an und verwandelte sich in Worte, denn endlich sprach uns die Schnitterin an. Wir hörten ihre sirrende, sehr hohe und auch leicht klirrende Stimme, als sie sagte: »Er ist tot. Er lebt nicht mehr. Man hat ihn mir genommen…«
    Uns war klar, daß sie ihren Mann Thornton meinte. Um ihn trauerte die Totenfrau, aber ich wollte das nicht so stehenlassen. »Er war ein Mörder!« erklärte ich.
    Zuckte sie zusammen? Hatte ich mich geirrt? Zitterte plötzlich das scharfe Blatt der Sense?
    »Nein, er war kein Mörder. Er hat getan, was getan werden mußte. Er ist dazu ausersehen worden, diejenigen zu jagen, die den Tod verdient haben.«
    »Verdient…?«
    »Ja.«
    Ich deutete auf die Fächer. »All die Menschen, die dort versteckt in der Wand liegen, haben den Tod verdient.«
    »So ist es.«
    »Da denken wir anders darüber.«
    Ihr glattes Gesicht bekam ein Muster aus Falten. »Anders darüber denken? Es ist möglich, aber es trifft nicht den Kern. Ihr beide habt von Menschen geredet. Für euch ist Thornton ein Mörder gewesen. Doch es waren keine Menschen, die er getötet hat. Nicht in dem Sinne, wie ihr beide sie seht.«
    »Was waren die dann?« fragte Suko. »Für uns haben sie ausgesehen wie Menschen.«
    »Das stimmt, aber sie waren Abtrünnige und Mörder.«
    Wir wunderten uns. Wiederholten beide Begriffe und wollten wissen, wie das zusammenpaßte.
    »Meine Mörder.«
    »Du bist von ihnen getötet worden?«
    Sie nickte mir zu. »Ja, sie töteten mich, denn sie wollten Thornton das Liebste nehmen, was er besaß, nämlich mich.«
    »Wieso bist du dann hier, wenn du eigentlich hättest tot sein und in kalter Erde liegen müssen?«
    »Weil ich anders bin.«
    Das war mir zu allgemein. »Wie anders?«
    »So wie es Thornton gewesen ist. Man hat uns beide ausgeschickt, um die Abtrünnigen zu vernichten. Sie haben sich unter die Menschen gemischt, und wir mußten sie finden.«
    Es war uns noch immer alles zu klar. »Wer sind sie denn gewesen, verflucht noch mal!«
    »Sie nannten sich Dämonen des Himmels!«
    Diesen Begriff hatten wir beide noch nicht gehört. Dämonen des Himmels, das war ein Widerspruch in sich. Der Himmel war etwas Gutes, wie man auch immer darüber denken mochte. Es gab ja verschiedene Begriffe dafür, aber daß er von Dämonen bevölkert sein sollte, das wollte mir einfach nicht in den Sinn.
    Ich schaute meinen Freund Suko an. Der kam mit dem Begriff auch nicht zurecht, denn ich erkannte, wie er die Stirn gekraust hatte.
    »Es gibt keine Dämonen des Himmels«, flüsterte ich mit kratziger Stimme. »Tut mir leid.«
    »Du weißt zuwenig.«
    »Mag sein, aber ich glaube nicht, daß ich unrecht habe.«
    »Wir sind geschickt worden. Wir haben menschliche Gestalt angenommen, und wir wurden getötet. Wir konnten sterben wie Menschen, das haben wir erlebt, aber wir sind nicht wie normale Tote. Zumindest ich nicht. Ich ging nur in einen Zustand über, der sich aus zwei anderen zusammensetzt.«
    Meine Neugierde war brandheiß geworden. »Aus welchen beiden Zuständen denn?«
    »Aus dem Engel und dem Menschen!«
    Himmel, das war die Lösung! Ich hätte mir am liebsten selbst in den Hintern getreten. Ich war verbohrt gewesen, Suko ebenfalls.
    Diese neutralen Statuen hatte keine Menschen darstellen sollen, sondern Engel. Deshalb hatten sie auch irgendwie alle dieses gleiche Aussehen gehabt. Meine Gedanken überschlugen sich. Dann waren Thornton Brundage und seine Frau also Engel, die auf die Erde geschickt worden waren, um die Abtrünnigen – wie auch immer – zu töten.
    »Ihr wißt Bescheid«, sagte die Totenfrau. »Ich spüre es.«
    »Ja«, flüsterte ich, während Suko neben mir stehend nickte. »Wir wissen fast Bescheid.«
    »Haltet ihr ihn noch immer für einen Mörder?«
    »Nach unseren Gesetzen schon«, erwiderte ich. »Er hat nicht das Recht gehabt, andere zu vernichten.«
    »Er mußte es tun. Habt ihr denn nicht verstanden, daß sie Abtrünnige waren? Sie haben den anderen Weg genommen. Sie sind auf die Erde gekommen, um sich zwischen die Menschen zu mischen. Sie haben einmal zu uns gehört, aber sie folgten den Lockrufen der Unterwelt und des Bösen. So suchten sie sich als Opfer die Menschen aus, denn sie waren wunderbar zu manipulieren. Uns aber schickte man als Gegenpol, doch leider waren wir nicht stark und nicht vorsichtig genug. Ich lief ihnen in die Falle, und sie schafften es, mich in ihrem weißen Feuer zu verbrennen. Als Engel hätte mir ihr Feuer nichts ausgemacht, aber

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