0857 - Die Schnitterin
hervor über sein Gesicht hinwegrann und den Blick verschwimmen ließ.
Er schüttelte den Kopf. Er holte Luft. Bei jedem Einatmen spürte er den Schmerz in seinem Magen. Gleichzeitig wurden auch die Lungen malträtiert, sie hatten sich erweitert und drückten gegen die Rippen.
Suko hatte damit gerechnet, nahe des Ufers wieder aufzutauchen.
Jetzt staunte er, wie weit ihn dieser Wurf des Mannes auf den See hinausgeschleudert hatte. Er war praktisch in dessen Mitte in das braungrüne Wasser eingetaucht.
Suko schwamm ans Ufer, an dem sich schon Neugierige versammelt hatten, denn sein Auftauchen war nicht unbemerkt geblieben. Er hörte erste Kommentare, konnte aber nicht verstehen, was da gesagt wurde, und er kletterte durch den Uferschlamm aufs Trockene, wobei er noch immer Ärger mit dem Luftholen hatte, die Lungen wollten sich einfach nicht mehr füllen. Hilfreiche Hände streckten sich ihm entgegen. Es hatten sich nicht nur Patienten versammelt, auch zwei Krankenschwestern befanden sich unter den Helfern, und kaum daß er das Wasser verlassen hatte, hörte er schon ihre vorwurfsvollen Kommentare.
»Was haben Sie sich nur dabei gedacht, in diesen See zu springen, Mister?«
»Gedacht?« keuchte Suko.
»Ja, gedacht.«
»Gar nichts, Miß, gar nichts.« Er beugte sich vor, spie schmutziges Wasser aus und hielt beide Hände gegen seinen Magen gepreßt. »Es tut mir leid, aber ich habe das Bad nicht freiwillig genommen.«
»Sie kommen erst mal mit.«
»Wohin?«
Die resolute Schwester umfaßte Sukos linken Ellbogen. »In die Aufnahme, Mister.«
»Das ist sehr gut. Gibt es dort ein Telefon?«
Die Krankenschwester schaute ihn an, als wollte sie ihn fressen.
Eine Antwort gab sie nicht. Schweigend zerrte sie Suko weiter…
***
Mehmet Slater warf nicht einen Blick zurück, nachdem er seinen Feind ins Wasser geworfen hatte. Für ihn war die Sache einerseits erledigt, was ihn freute, andererseits aber auch Sorgen in ihm hochtrieb, denn er wußte jetzt, daß sie ihm auf der Spur waren, und ausgerechnet noch zwei Menschen, was er nie gedacht hätte. Er mußte sich eingestehen, daß er die Kraft und das Wissen der Leute unterschätzt hatte. Die waren doch schlauer gewesen.
Nun ja, er hatte sich rechtzeitig auf sie einstellen können, und er dachte gar nicht daran, aufzugeben. All seine Mitstreiter aus früheren Zeiten waren vernichtet worden, er allein bewegte sich noch auf dieser Welt, und er hatte es fast geschafft, die beiden Feinde auszuschalten. Sein Plan war so perfekt gewesen, bis eben auf diese eine Kleinigkeit. Man hätte Amy anders töten sollen. Das grausame Feuer hatte zwar ihren Körper vernichtet, sie aber nicht ganz ausgeschaltet, und so hatte sie noch eingreifen können und sich sogar menschliche Unterstützung besorgt, denn er durfte auch den Kollegen des Chinesen nicht vergessen. Dieser Mann war ebenfalls gefährlich, er stand allerdings schon auf Slaters Todesliste, und er hätte auch den Chinesen umgebracht, wäre die Umgebung nicht so belebt gewesen. Zu stark auffallen wollte er nicht.
Der Schock war natürlich nur gespielt gewesen. Immer dann, wenn er allein gewesen war, hatte er sich heimlich in dem Krankenhaus umgeschaut und kannte es recht gut.
Er lächelte, als er daran dachte, wie ihn die Totenfrau besucht hatte. Sie war verunsichert gewesen, sonst hätte sie längst mit ihrer Mördersense zugeschlagen. Sie mußte genau seine Gegenkraft gespürt haben und natürlich deren immense Stärke.
Sie schafft es nicht allein, dachte er. Nein, sie schafft es nicht allein.
All diese Gedanken und Überlegungen hatten ihn bis zum seitlichen Eingang des Hospitals begleitet. Er fiel überhaupt nicht auf, er war ein kaum noch kranker Mann in einem blau und weiß gestreiften Bademantel, der im Freien ein wenig Sonne getankt hatte. Das war alles gewesen, und wer diesen Mandelgeruch wahrnehmen wollte, der mußte schon sehr nahe an ihn herantreten.
Auch wenn er ihn dann roch. Verbindungen konnte der Fremde sowieso nicht ziehen.
Slater fuhr nicht hoch bis zu seinem Zimmer. Er wollte sich in der unteren Etage aufhalten und von dort aus in den Keller gehen. Auch diesen Weg kannte er.
Der Keller des Krankenhauses war ein kaltes Gebiet, in dem der Tod irgendwie immer allgegenwärtig war. Im Keller befand sich auch die Leichenkammer, wo die Verstorbenen so lange aufbewahrt wurden, bis die Freigabe eintraf. Es war eine Welt, die man den Kranken nicht zeigte, ihn interessierte sie nicht.
Im Keller befanden sich
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