0857 - Die Schnitterin
gerechnet zu haben. Er hat Ihnen auch nicht mehr ausweichen können. Ich frage mich, warum die Geisterfrau genau an dieser Stelle und in dieser bestimmten Nacht erschien.«
Slater hob die Schultern. »Wo ist das Problem?«
»Es war das Problem. Ich habe es Ihnen angedeutet. Warum erschien die Totenfrau an der Stelle?«
»Keine Ahnung.«
»Sie hatte einen Grund.«
»Das sagen Sie.«
»Dabei bleibe ich auch. Vielleicht wollte sie diesen Unfall provozieren, was unlogisch gewesen wäre, dazu liebte sich das Ehepaar Brundage zu sehr.«
»So weit denke ich gar nicht.«
Suko ließ sich nicht beirren. »Es gibt noch eine zweite Möglichkeit, Mr. Slater.«
»Und die wäre?«
»Daß Sie ebenfalls eine Figur in diesem Spiel sind.«
»Wunderbar kombiniert, Inspektor. Wirklich phantastisch. Ich bin sowieso eine Figur oder eine Hauptperson bei diesem Geschehen. Das haben Sie schon richtig erkannt.«
»Ich denke da nur in einem Bogen. Vielleicht haben Sie in einem Zusammenhang oder einer Verbindung zu den Brundages gestanden.«
»Ach!« Slater war sprachlos. »Das wüßte ich aber.«
»Wissen Sie es denn nicht?«
Er schüttelte den Kopf und schaute den Spaziergängern zu.
»Nein, ich kann mich an nichts erinnern, es tut mir leid, Inspektor. Außerdem denke ich, daß ich Ihre Zeit schon lange genug in Anspruch genommen habe. Ich werde jetzt wieder auf mein Zimmer gehen, mir zuvor etwas zu trinken besorgen und mich hinlegen.«
»Das bleibt Ihnen unbelassen, aber eine Frage hätte ich trotzdem noch.«
»Bitte, fragen Sie.« Slater verdrehte die Augen, um zu dokumentieren, daß er keine Lust mehr hatte.
»Sagt Ihnen der Begriff Dämonen des Himmels etwas?« Suko hatte den Mann bei dieser Frage nicht aus den Augen gelassen. Er wollte die Reaktion testen, und ihm entging nicht, daß Slater zusammenzuckte. Er war also überrascht.
»Ich warte auf eine Antwort!«
»Wie war das? Dämonen des Himmels?«
»Richtig!«
»Nein! Was soll der Quatsch überhaupt? Allein der Begriff ist schon ein Widerspruch in sich. Sie sind mir ein komischer Kauz. Dämonen des Himmels. Im Himmel können keine Dämonen leben.«
»Wenn man es so sieht, dann haben Sie recht. Aber man kann den Begriff auch austauschen.«
»In welchen denn?«
»Gefallene Engel. Boten Luzifers, wie auch immer. Wesen, die sich auf die Erde unter die Menschen gemischt haben. Die einmal reine Energie waren und nun die menschliche Gestalt angenommen haben, um Böses zu tun. Um das aber zu verhindern, werden sie von anderen Engeln gejagt, die ebenfalls ihren geistigen Zustand verlassen haben, um nicht aufzufallen. Sie verstehen…«
Mehmet Slater gab keine Antwort. Er starrte zu Boden. Suko stellte fest, daß er schwitzte, und der Inspektor fühlte sich plötzlich unbehaglich. Er war zudem davon überzeugt, auf der richtigen Spur zu sein, und diese Überzeugung wuchs, als er einen bestimmten Geruch wahrnahm.
Mandelgeruch…
Bitter und süß zugleich!
Hatte nicht Amy davon gesprochen, daß man die Dämonen des Himmels an ihrem Geruch erkennen konnte, eben an diesem Mandelgeruch?
Es stimmte, und Suko ging davon aus, daß neben ihm ein Dämon des Himmels saß.
»Sie gehören dazu, Slater. Es war kein Zufall. Es ist alles so gekommen, wie es kommen mußte. Sie werden von anderen Geschöpfen gejagt, aber Sie wissen auch, sich zu wehren und drehen ab und zu den Spieß um. So war es auch bei diesem Unfall. Vielleicht ist Amy erschienen, um ihren Mann noch im letzten Augenblick zu warnen. Sie kam zu spät. Ihr Plan ging bereits auf.«
Slater drehte den Kopf, ohne Suko anzuschauen. »Sie denken sich da Sachen aus, über die ich nicht einmal lachen kann. Wenn es so gewesen wäre, hätte mich die blasse Frau in meinem Krankenzimmer töten können. Sie hat es nicht getan, trotz ihrer Sense. Warum nicht?«
»Sie war vielleicht zu schwach.«
»Und Sie sind schwach im Geist, Inspektor.« Mit einer ruckartigen Bewegung stand Mehmet Slater auf. Er wollte den Platz verlassen, doch dagegen hatte Suko etwas.
Auch er erhob sich und griff rasch zu. Er bekam das rechte Handgelenk des Mannes zu fassen und wollte Slater herumreißen. Der machte die Bewegung mit, und plötzlich starrten sich beide an.
Suko sah das Gesicht. Er hatte sich nicht verändert, dennoch war es das Gesicht eines Fremden. Hinter der Haut, auch in den Augen lauerte etwas anderes, das er nicht beschreiben konnte, das aber trotzdem vorhanden war. Gefährlich vorhanden.
»Laß mich los!«
»Nein!«
»Tu es
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