0857 - Die Schnitterin
lieber!«
»Ich will alles wissen! Du bist einer von ihnen, du bist ein Dämon des Himmels und…«
»Und wenn es dann so wäre?«
»Werden wir uns möglicherweise über gewisse Tatsachen einigen können. Ihr habt die menschliche Gestalt angenommen. Ich habe euch tot in den Fächern liegen sehen. Aber deine Brüder waren nicht verwest. Sie wirkten frisch. Etwas ist anders an euch, ich weiß es und…«
Plötzlich schrie Suko auf.
Slater hatte seinen linken Arm vorgestoßen. Die Faust bohrte sich in Sukos Magen. Er hatte den Eindruck, als wäre durch diesen eigentlich nur leichten Schlag alles zerstört worden. Er sackte in die Knie, ließ den Mann los, und diesmal faßte Slater mit der rechten Hand zu. Als hätte Suko so gut wie kein Gewicht, hob er ihn an, holte sogar noch aus und schleuderte ihn über die Bank hinweg auf den Teich zu.
Suko segelte durch die Luft. Er hatte die Augen weit geöffnet.
Über sich sah er den Himmel und das verwaschene Grün der Landschaft wie einen tanzenden Flickenteppich.
Dann durchbrach sein Körper die Oberfläche mit der Wucht eines Geschosses. Die Enten stoben kreischend davon, während Suko dem schlammigen Grund entgegensackte.
Mehmet Slater aber schritt lächelnd weg…
***
»Behalten Sie die Ruhe! Behalten Sie bitte die Ruhe! Keine Panik jetzt!« Meine Worte galten den drei Ärzten, die überhaupt nicht wußten, was hier ablief und voll geschockt waren, denn mit einem derartigen Vorgang hatten sie nicht gerechnet.
Die bleiche Frau mit der Sense war wie aus dem Nichts erschienen. Als hätte sie ihr Totenreich verlassen, an das keiner der Ärzte so richtig glauben wollte.
Für eine Weile herrschte eine nahezu eisige Stille, die durch ein helles Geräusch unterbrochen wurde, denn einem der Männer war die Shag-Pfeife aus dem Mund gerutscht und zu Boden gefallen.
»Was ist das?« flüsterte Eve Brandon.
»Sie ist eine Botin.«
»Bitte?«
»Nehmen Sie es hin!« flüsterte ich und wandte mich an die beiden Männer. »Auch Sie tun nichts. Nehmen Sie es einfach hin. Sie will nichts von Ihnen, sie will etwas von mir.«
»Warum ist sie gekommen, John?«
»Weil sie auch weiß, daß sich in diesem Leichenkeller ihr toter Mann befindet. Es ist Thornton Brundage, den ich mir vorhin so intensiv angeschaut habe.«
Ich hörte die Ärztin stöhnen, denn was sie da gehört hatte, paßte nicht in ihre Welt.
Ihre männlichen Kollegen drehten zum Glück nicht durch. Sie nahmen es einfach hin. Vielleicht gab es auch Dinge, die sie, wo sie tagtäglich mit dem Tod zu tun hatten, nicht mehr überraschten.
Ich ging davon aus, daß Amy Brundage nicht erschienen war, um die Ärzte anzugreifen, aber ich fragte mich, wie sie sich mir gegenüber verhalten würde.
Bei unserem ersten Zusammentreffen, hatte sie sich neutral gezeigt. Sie wußte, daß ich nicht zu den Feinden gehörte, die ihr Mann vor seinem Tod gejagt hatte. Sie sah aus, als wäre sie in der Lage, das Erbe weiterzuführen, sicher war ich mir nicht.
Ich erinnerte mich auch wieder an ihre Worte. Sie hatte davon gesprochen, daß es nur noch einen gäbe.
Wieder durchbrach ihre helle, sirrende Stimme die Stille. Mehrere Grillen auf einmal schienen da zu zirpen, und sie sprach davon, daß sie gesucht hätte.
»Warum?«
»Du wirst an meiner Seite bleiben.«
»Ich?«
»Ja, wir werden uns den letzten der Dämonen des Himmels holen. Thornton ist nicht mehr dazu gekommen. Er fuhr in die Falle hinein, die dieser Dämon ihm gestellt hatte. Ich habe ihn noch warnen wollen, als ich mich auf der Straße materialisierte, aber es ist trotzdem geschehen. Der letzte Dämon lebt noch immer. Aber ich bin zu schwach, um ihn vernichten zu können. Seine Kraft ist ungeheuer.«
Über diese Worte mußte ich mir zunächst Gedanken machen. Was sie mir da berichtet hatte, war tatsächlich ein Hammer gewesen. Sie hatte von dem Unfall gesprochen, mit dem praktisch alles seinen Anfang nahm. Wenn ich es im nachhinein überdachte, dann war es zwar ein normaler Unfall gewesen, letztendlich doch ein gelenkter, und ich wußte plötzlich, wer der letzte der Dämonen des Himmels war.
Der Fahrer, Mehmet Slater!
Der Mann, der unter einem so starken Schock gestanden und gelitten hatte.
Von wegen Schock!
Es war alles nur gespielt worden. Diesen Schock gab es einfach nicht. Er hatte uns da etwas vorgemacht, und wir waren tatsächlich darauf reingefallen.
Zugleich dachte ich auch an Suko, denn er war unterwegs, um mit Mehmet Slater zu reden. Suko war
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