0858 - Missgeburt
zweifellos wisst.«
»Und die ich natürlich genau kenne!«, behauptete Lucifuge Rofocale dreist. »Lass sie trotzdem hören! Wer weiß, welche Version du aufgeschnappt hast.«
***
Es begab sich, dass die alten Mächte mit dem Werden der Welten nicht zufrieden waren.
Licht strahlte in der Finsternis, und die Finsternis begehrte auf.
Ein Kampf entbrannte, der sich quer durch alle Welten zog. Dieser Kampf rottete ganze Völker aus und riss Dimensionen in den Untergang. Kaum waren sie entstanden, zerbrachen sie wieder.
Ihre Bruchstücke wirbelten durch das Nichts, und die alten Mächte fingen sie auf. Sie formten sie und entnahmen ihnen die Essenz. Zurück blieben triste Schlackehaufen, die auf ewige Reise durch das Nichts geschickt wurden.
Aus der Essenz jedoch bauten die alten Mächte etwas Neues.
Sie überlegten lange, und alle Parteien des Kampfes mischten sich ein. Es gab Vorschläge und Gegenvorschläge.
Schließlich einigte man sich auf das GESETZ, und die beiden Seiten der Waagschale entstanden, gebildet aus der Essenz: die Quelle des Lebens und deren Gegenpart, die Hölle der Unsterblichen.
Noch waren sie nirgends verankert, und während die Hölle rasch einen Platz fand, war es schwieriger, die feinen Mechanismen der Quelle am richtigen Ort niederzulassen.
Eine Hüterin wurde erwählt, die den Willen der alten Mächte ausführte und ausführt und ausführen wird, bis das Universum und alle seine Welten vergehen.
Da es keine passende Welt gab, formte die Hüterin eine der ersten Welten um. Sie wählte Brakila als Standort für die Quelle des Lebens. Die Hüterin wirkte dort mit ihrer Magie des Lebens und veränderte das Sein und die Gesetze des Todes in dieser Dimension.
Doch bald verwarf sie ihren Plan und wandte sich einer anderen Welt zu.
***
»Warum sie so entschied, weiß niemand, Gebieter«, beendete der dämonische Archivar seine Erzählung. »Sicher ist nur eins, zumindest, wenn man der Legende Glauben schenkt. Brakila war einst als Standort für die Quelle des Lebens vorgesehen, und deshalb herrschen dort veränderte Konstanten des Lebens.«
»Wenn man der Legende Glauben schenkt«, wiederholte Lucifuge Rofocale und tat so, als halte er das für abwegig. »Forscht weiter«, befahl er beiläufig und versetzte sich nach Brakila.
***
Professor Zamorra blickte starr vor Grauen auf den halb verwesten menschlichen Frauenkörper.
Diana Cunningham… ein Zombie. Sie öffnete den Mund. Die Zähne steckten in den fauligen Resten des Kiefers. Nur ein totes Röcheln entrang sich Dianas Kehle.
»Was hast du getan?« In Nicoles Stimme paarten sich Entsetzen und Ekel.
Der Zwitter blieb scheinbar völlig gelassen. »Ich habe ihr das Leben zurückgegeben, das sie durch meine Schuld verloren hat.«
»Durch Andrews Schuld«, verbesserte Zamorra. »Zumindest hat er sich eingeredet, er sei am Tod seiner Freundin Schuld. In Wirklichkeit hätte er ihn unmöglich verhindern können.«
Dem Parapsychologen entging nicht, dass der Zwitter sich schon wieder mit Andrew Millings gleichgesetzt hatte. Er fragte sich, ob diese Unsicherheit auf fortschreitende Verwirrung schließen ließ.
»Das spielt jetzt keine Rolle«, warf Nicole ein. Ihre Gesichtsfarbe war merklich blasser als vor dem Auftauchen der Kreatur, die einmal Diana Cunningham gewesen war. »Sieh sie dir an! Das ist nicht Diana… Du hast nicht sie ins Leben zurückgeholt, sondern ihrem toten Körper ein Scheinleben eingehaucht, wie immer du das genau getan hast. Das ist nicht Diana!«
Der Zombie wandte den Blick. In den Augen lag keinerlei Emotion verborgen. Sie blickten starr und stumpfsinnig. Die Pupillen waren stark erweitert und reagierten nicht auf Lichteinfall.
Dianas Körper hob die rechte Hand. Aus dem rudimentären Fleisch des Daumens bohrte sich ein Wurm, ringelte sich zusammen, fiel zu Boden und kroch davon. Der Zombie hielt nach wie vor den Mund offen. Ein unheimlicher Laut drang daraus - ein seelenloses, totes Stöhnen.
In diesem Moment ahnte Zamorra, warum er das Amulett nicht hatte mitnehmen dürfen. Der Zombie Diana Cunningham war wohl eine schwarzmagische Kreatur, oder zumindest einer solchen so ähnlich, dass Merlins Stern sie selbsttätig angegriffen hätte.
Dem Meister des Übersinnlichen schwindelte angesichts der Ungeheuerlichkeit, die sich um ihn abspielte.
»Das - ist - nicht - Diana!«, wiederholte er Nicoles Worte, langsam und bedächtig, als würde er zu einem kleinen Kind sprechen. »Wie kannst du annehmen, ihren
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