0859 - Die Mutantenspinne
erwiderte sie. Sie nippte am Whisky, nickte anerkennend ob der Qualität und nahm einen größeren Schluck. Dann gab sie das Glas an Zamorra und Nicole weiter und ließ sich wieder in den Sessel sinken.
»Ja, er erwacht«, sagte sie dann. »Andeutungen macht er ja schon seit einiger Zeit, kann sich aber Augenblicke später schon nicht mehr daran erinnern. Es sind kurze Flashlights. Aber heute…«
Sie schluckte. »Dermaßen deutlich war er noch nie. Als ich eben aus Roanne zurückkam, verließ er gerade sein Zimmer. Er begrüßte mich nicht wie seine Mutter, sondern wie seine Frau. Und er wollte wissen, warum wir nicht zu Hause in Schottland in Llewellyn-Castle leben, sondern in Frankreich im Château Montagne.«
»Und was hast du geantwortet?«, fragte Zamorra.
»Nichts«-, gestand sie. »Ich bin regelrecht geflüchtet.«
Zamorra drehte sich zu Nicole und gab ihr einen Kuss. »Noch ein Thema zum Grübeln«, sagte er.
Nicole versetzte ihm einen Stoß, dass er beinahe den Whisky verschüttete.
»He«, protestierte er. »Das Stoffchen ist, wie eine gewisse Nicole Duval sich vorhin auszudrücken beliebte, sauteuer!«
»Dann fang nicht schon wieder an zu grübeln.«
»Ich wollte nur darauf hinweisen, dass wir unser Thema von vorhin durchaus nicht erschöpfend ausdiskutiert hatten. Aber es geht ja nicht darum, sondern um das Verhalten von Lord Zwerg.«
»Von Rhett«, korrigierte Patricia knurrig. »Ihr wisst genau, dass ich diese Bezeichnung nicht mag, und ich denke, er wird sie auch nicht länger dulden.«
»Fragen wir ihn selbst«, schlug Zamorra vor. »Wenn sein Humor der von früher geblieben ist, wird er darüber lachen.«
»Aber ich lache nicht«, erwiderte sie. »Und ich bin nicht hierhergekommen, um mir diesen Unsinn anzuhören, sondern weil ich euren Rat suche. Ich weiß nicht, wie ich künftig mit Rhett umgehen soll.«
»Bryont hat dir doch damals erzählt, was geschehen wird und was auf dich wartet. Du hattest fast vierzehn Jahre Zeit, dich darauf vorzubereiten.«
»Eben!«, entfuhr es ihr. »Vierzehn Jahre, Zamorra! Vor vierzehn Jahren war er noch mein Mann, aber er ist vor vierzehn Jahren gestorben! Seitdem ist er mein Sohn! Vierzehn Jahre… das ist eine verdammt lange Zeit! Nicht für euch, ihr seid unsterblich. Für euch war es gestern. Aber für mich nicht! Ich bin in diesen vierzehn Jahren älter geworden, Rhett ist in ihnen älter geworden. Wir sind beide als Mutter und Sohn gemeinsam gealtert, haben als Mutter und Sohn zusammengelebt! Er konnte sich in diesen Jahren nicht an seine Vergangenheit erinnern, an seine früheren Inkarnationen. Aber jetzt kommt die Erinnerung zum Vorschein, und er ist nicht mehr, was er in all diesen Jahren war. Plötzlich ist er nicht mehr mein Sohn, sondern mein Mann - ein radikal verjüngter Mann!«
»Das alles wusstest du aber«, wiederholte Zamorra.
»Warum war diese Erinnerung nicht von Anfang an da?«, klagte Patricia. »Es hätte es mir leichter gemacht.«
Nicole erhob sich, ging zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern.
Die Schottin zuckte bei der Berührung der Freundin heftig zusammen. Sie empfand Unbehagen, weil Nicole bis auf die Stiefel nackt war.
»Es hätte es dir nur erschwert«, sagte Nicole. »Du hättest deinen Mann wie ein Kind aufziehen müssen. So war es für euch beide besser. Für dich, weil du ihn als deinen Sohn sehen musstest, und für ihn, weil er die Chance bekam, völlig unbelastet aufzuwachsen und eine neue eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Er ist nicht Bryont, wie dieser nicht sein Vorgänger war, und der nicht Rheged, und Rheged war nicht Sarras, und so weiter… Es ist immer der gleiche Erbfolger , aber nie derselbe. Damit musst du dich abfinden. Wie Zamorra schon sagte: Du hattest all die Jahre Zeit, dich auf diesen Moment vorzubereiten.«
»Trotzdem…«
»Hast du ihn früher, als er noch Bryont war, so geliebt, dass du dir keine Gedanken darum gemacht hast?«, fuhr Nicole fort.
»Doch, natürlich habe ich mir Gedanken gemacht! Immer wieder!«, protestierte Patricia. »Aber - das war Theorie! Nun stehe ich vor der Praxis !«
»Sieh es mal so«, schlug Nicole vor. »Er ist nicht mehr dein Sohn Rhett, und er ist auch nicht wieder dein Mann Bryont. Er ist der Erbfolger Rhett, so wie dein Mann der Erbfolger Bryont war. Dessen Mutter und all die anderen vorher haben vor dem gleichen Problem gestanden. Sie haben es gemeistert. Das schaffst du doch auch! Deine Liebe zu Vater und Sohn ist stark genug dafür. Pat,
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