0859 - Höllenliebe
Mutter zuckte bei dem Hautkontakt zusammen, weil sie den Eindruck hatte, von irgendwelchen kalten Wachsfingern berührt zu werden.
Sie schüttelte sich, als hätte jemand einen Eimer Wasser über ihr entleert. Endlich zogen die Nonnen die Hände wieder zurück und sprachen flüsternd miteinander.
»Ja, sie sollte die beiden sehen.«
Die linke Nonne nickte. »Gern. Sollen wir sie holen?«
»Ich warte darauf.«
»Ich ebenfalls.«
Beide kicherten wie Kinder, während sie zurückgingen und ihre Blicke nicht vom Gesicht der jungen Frau lassen konnten. Auf ihren Lippen lag wieder das seltsame Lächeln, und Naomi fragte sich plötzlich, wie alt diese Frauen wohl waren.
Auf sie machten sie einen alterslosen Eindruck. Das mochte an den Gesichtern liegen, die sich wegen der eng anliegenden Hauben so glichen, obwohl sie sicherlich verschieden waren.
Hinter den Kerzen waren die zwei Frauen in der tiefen Dunkelheit des hohen Raumes verschwunden. Naomi hörte sie nur noch wispern. Ihre Stimmen verflüchtigten sich. Der große Raum saugte sie auf wie ein trockener Schwamm das Wasser.
Naomi wußte, daß sich die leisen Gespräche um sie und um ihr Schicksal drehten.
Sie wartete - und hörte wieder dieses ungewöhnliche Geräusch. Das leise Rollen. Sie konnte sich nicht vorstellen, was es bedeutete. Wenig später aber, als das Kerzenlicht die beiden Frauen erreichte, da wußte sie Bescheid.
Die Nonnen schoben Kinderwagen vor sich her.
Naomi stockte der Atem, denn plötzlich war ihr bewußt, wer da in diesen Wagen lag.
Ihre Kinder!
Die Kinderwagen, eigentlich Wiegen auf Rädern, waren mit weißen Tüchern verhängt. Aus weißen Tüchern bestand auch das Verdeck. Griffe zum Schieben gab es dagegen nicht.
Jede Nonne nahm sich eine Wiege vor.
Sie bückten sich und streckten dabei die Arme aus. Die Hände verschwanden in den Wagen. Naomi konnte sich vorstellen, wer jetzt aus den Wiegen hervorgeholt wurde. Ihre Spannung stieg ins Unermeßliche. Oder war es die Angst vor dem Anblick? Selbst das konnte sie nicht sagen. Alles hatte sich so verändert. Es gab nichts mehr, was noch einen Sinn gemacht hätte. Sie ahnte, daß ihr Leben vor einer Wende stand.
Die Nonnen nickten sich gegenseitig zu. Das war das Zeichen.
Gemeinsam hoben sie die Kinder an, die nicht schrieen. Nicht einmal zu atmen schienen sie.
Naomi blieb liegen. Sie konnte ihre Kinder nicht sehen, weil ihr die Nonnen noch die Rücken zudrehten. Sie hielt nur den Atem an und wartete darauf, daß sich die beiden Frauen umdrehten.
Sie taten es.
Langsam, mit sehr sicher wirkenden Bewegungen. Schon im Profil erkannte Naomi das falsche Lächeln auf den Mündern, und zugleich drehten sich die Nonnen um.
Sie trugen die Kinder und summten etwas.
Die Babys bewegten sich nicht.
Langsam näherten sich die Nonnen dem Bett, wo Naomi lag und nicht wußte, was sie denken sollte.
Zuviel Verworrenes wirbelte durch ihren Kopf. Plötzlich fragte sie sich, ob sie die Kinder annehmen oder ablehnen sollte.
Das Durcheinander war perfekt.
Die Nonnen aber kümmerten sich nicht darum. Sie schlichen auf das Bett zu. »Da, jetzt kannst du deine Frucht sehen…«
Am liebsten hätte Naomi die Augen geschlossen. Sie tat es nicht und schaute hin.
Die Nonnen hatten sich gebückt. Beide Kinder waren in Tücher eingewickelt. »Es sind Jungen, zwei kleine Jungen, meine liebe Naomi.«
Es interessierte sie gar nicht, was die Kinder waren. Sie spürte nur einen gewaltigen Druck im Magen. Alles kreiste vor ihren Augen. Die Decke, die Kerzen, die… die… die…
Die Gedanken sackten weg.
Alles war plötzlich anders geworden, denn zum erstenmal sah sie die Gesichter der beiden Jungen.
Naomi schaute hin.
Kurz nur.
Nicht mehr als drei, vier Sekunden.
Die Zeit aber hatte ihr gereicht. Plötzlich war für sie alles anders geworden. Sie riß den Mund auf und schrie wie noch nie in ihrem Leben.
Sie schrie, schrie und schrie! Dabei blieb sie nicht ruhig liegen, sie hob die Arme an und schlug die Hände auf das Bett zurück.
Die Nonnen aber schauten sich an. Sie hoben die Schultern, und ihre Lippen hatten sich wieder zu einem häßlichen Lächeln verzogen…
***
Der Anblick war einfach zuviel für die junge Mutter gewesen. Es war nicht mehr möglich, daß sie sich davon erholte. Das Wissen, diese beiden Kinder geboren zu haben, war für sie einfach nicht zu ertragen. Es brachte sie vollkommen durcheinander.
Naomi verlor den Verstand!
Die Nonnen hatten damit gerechnet. Für sie war nicht
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