0859 - Höllenliebe
die Mutter wichtig, ihnen ging es um die beiden Kinder. Aber sie kümmerten sich auch auf ihre Weise um die Mutter.
Sie behielten sie im Kloster.
Es gab genügend versteckt liegende Räume, wo Naomi die nächsten Jahre verbringen konnte. Wenn sich ihr Zustand normalisierte, würde sie bestimmt für einfache Arbeiten zu gebrauchen sein, denn zu tun gab es immer etwas.
Im Ort wurde Naomi vermißt.
Aber keiner fand sich bereit, auf die Suche zu gehen. Warum auch? Sie war der Schandfleck gewesen, und es gab auch genügend Menschen, die ihr indirekt oder auch direkt die Schuld am Tod der Kaufmannsfrau gaben. Man sollte sie vergessen.
Und im Vergessen oder Verdrängen waren die erdverbundenen Bewohner des Ortes groß. Wer immer auch Fragen stellte, er würde kaum Antworten bekommen…
***
Es war ein Anblick, der Suko und mir unter die Haut ging. Wir waren deshalb gerufen worden, weil bestimmte Taten geschehen waren, die eigentlich nicht zueinander paßten, aber trotzdem in einen Zusammenhang gebracht werden mußten.
Zunächst hatte uns der Schock erwischt, denn der Täter war verdammt grausam vorgegangen. Sein Opfer steckte kopfüber in einer mit Öl gefüllten Tonne. Es war bis zur Hüfte hin verschwunden, nur mehr die Beine ragten hervor, und sie waren zur Seite geknickt, als hätte man sie zusätzlich noch gebrochen.
Ich wollte gar nicht daran denken, was passiert war, wenn der Mann bei lebendigem Leibe in diese mit Öl gefüllte Tonne hineingesteckt worden war. Da schüttelte es mich gewaltig, aber ausschließen konnten wir das auch nicht.
Die Öltonne stand auf dem Gelände einer Firma, die als Altöl- und Schmierstoff-Entsorger bekannt war. Entdeckt worden war der Tote von dem Besitzer selbst, der kurz vor Einbruch der Dunkelheit noch seine Runde drehte.
Suko und mich hatte der Anruf beinahe aus dem Bett gescheucht. Zum Glück war es unser alter Freund Chiefinspektor Tanner gewesen, in dessen bewährten Händen nicht nur dieser Fall lag.
Seine Leute zogen die Leiche hervor. Gnadenlos war das Licht eines starken Scheinwerfers auf den Tatort gerichtet, der bereits nach Spuren abgesucht worden war. Ob welche gefunden worden waren, wußten wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Jedenfalls schauten wir zu, wie die Leiche allmählich erschien.
Der Oberkörper, der Kopf…
»Ein Mönch oder Priester«, flüsterte Tanner. »Wie bei den beiden anderen auch.«
Ich nickte nur. Suko schaute zu Boden. Daß es ein Priester gewesen war, hatten wir anhand der Kleidung feststellen können, denn der Mann hatte eine Soutane getragen.
Wir sahen sein Gesicht.
Es sah schrecklich aus. Der Mörder mußte den Priester mißhandelt haben. Selbst der abgebrühte Tanner schüttelte bei dem Anblick den Kopf.
Scharf atmeten wir aus und traten zur Seite. Suko blieb in meiner Nähe, während Tanner seinen Leuten Anweisungen erteilte.
»Der Abbé hat recht behalten«, sagte Suko. »Verdammt, ich hätte es nicht gedacht.«
»Stimmt«, erwiderte ich leise und ließ meine Gedanken in die nahe Vergangenheit zurückwandern, als uns der Anruf des Freundes aus Frankreich erreichte.
Der Abbé war sehr erregt gewesen. Er hatte von einer Unperson gesprochen, die Jagd auf fromme Menschen machte. Diese Person sollte und wollte all diejenigen töten, die das Leben eines Mönchs oder eines Priesters führten, und er war bereits in zahlreichen Orten auf der Welt aufgefallen, denn im gesamten christlichen Raum waren an verschiedenen Stellen Priester und Mönche auf furchtbare Art und Weise ums Leben gekommen. Ein mordendes Phantom, einer der wahnsinnig haßte, und der Abbé war sich sicher gewesen, daß auch England nicht verschont bleiben würde.
Er hatte recht behalten.
Vorùns sahen wir den dritten Toten, der seinen Beruf oder seine Berufung mit dem Leben hatte bezahlen müssen. So und nicht anders sah es aus, wobei wir vor der Leiche standen und nicht wußten, was wir denken oder tun sollten.
Wir hatten uns telefonisch mit dem Abbé in Verbindung gesetzt und waren verwundert gewesen, daß er seine »Höhle« in Alet-les-Bains verlassen wollte, um nach London zu kommen.
Er war der Anführer einer Templer-Gruppe, die sich darauf festgelegt hatte, das Böse aus der Welt zu vertreiben und diejenigen zu jagen, die sich zu dem Dämon Baphomet bekannten und dabei viel Unheil anrichteten. Ob diese Taten mit Baphomet in Verbindung standen, war auch dem Abbé noch nicht klar. Jedenfalls hatte er sich auf die Reise nach London gemacht, allerdings
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