086 - Das Grab des Vampirs
betätigte, stellte sich ebenfalls kein Erfolg ein.
„Du hast irgend etwas kaputtgemacht“, sagte das Mädchen wütend.
„Natürlich. Es wäre ja gelacht, wenn du mir nicht die Schuld zuschieben könntest.“
„Es ist aber doch so!“
„Laß den Motor mal in Ruhe! Vielleicht ist er nur abgesoffen.“
Ira stellte die Zündung ab. „Und was ist, wenn er nicht anspringt?“
„Dann warten wir.“
„Worauf?“
„Daß jemand kommt, der uns helfen kann.“
„Das ist vielleicht erst morgen früh der Fall. Nein, am besten gehst du nach St. Brieuc zurück und holst die Polizei.“
„Und du bleibst hier bei der Leiche, wie? Glaubst du wirklich, ich lasse dich hier allein, wo der Vampir jeden Augenblick zurückkommen kann? Ich meine – der Mörder…“
„Du würdest mich am liebsten nach St. Brieuc schicken, wie? Du hast wohl Angst, allein über die Straße zu gehen?“
„Das ist doch Unsinn, Ira, und das weißt du auch. Was streiten wir uns überhaupt? Was soll das?“
Sie antwortete nicht. Verbissen versuchte sie erneut, zu starten. Schließlich stieß Dietmar Runge die Beifahrertür auf.
„Wenn du alle Fenster und Türen schließt und die Türen verriegelst, so daß man sie von außen nicht öffnen kann, dürfte dir eigentlich nichts passieren. Ich werde mich beeilen.“
Plötzlich hatte Ira Angst, aber sie sagte nichts. Sie preßte die Lippen zusammen und wünschte sich, Dietmar würde sie nicht allein lassen, aber sie scheute sich, ihm ihre Schwäche einzugestehen.
Er beugte sich noch einmal zu ihr herab. „Oder soll ich doch bleiben?“
„Verschwinde!“ sagte sie mühsam lächelnd.
„Versprich mir, daß du nicht aussteigen wirst.“
„Ich verspreche es. Großes Ehrenwort.“
„Ich liebe dich.“
„Ach du meine Güte! Mußt du gleich sentimental und kitschig werden?“
„Also gut, Tante. Klappre nicht so laut mit den Zähnen, sonst denke ich noch, dir ist kalt.“
„Das war schon besser.“
Er schlug die Tür zu. Sie verfolgte ihn noch eine Weile durch das hintere Fenster, dann verriegelte sie alle Türen und schaltete die Scheinwerfer aus. Plötzlich fühlte sie sich sehr allein. Am liebsten wäre sie Runge nachgelaufen. Weshalb hatten sie den Wagen nicht stehengelassen und waren zusammen zurückgelaufen? Schließlich war es überflüssig, eine Leiche zu bewachen. Ihr konnte doch niemand mehr helfen.
Die Nacht war nicht ganz so dunkel, wie sie ihr erschienen war, solange die Scheinwerfer noch gebrannt hatten. Jetzt konnte sie die Konturen der Büsche und Bäume ausmachen. Schauernd blickte sie sich um. Sie ärgerte sich über sich selbst. Warum war sie so aggressiv geworden? Warum hatte sie Dietmar beleidigt, als er feststellte, daß der Mörder dem Opfer die Kehle mit den Zähnen zerrissen hatte? Er mußte es doch schließlich wissen. Sie wußte, daß er ein überdurchschnittlich guter Student war.
Der Regen trommelte aufs Dach. Sie dachte an Dietmar, der ohne Regenmantel durch die Nacht eilte. Angenehm war das bestimmt nicht. Eigentlich hätte sie froh sein müssen, daß sie hier sitzen konnte.
Sie versuchte nochmals zu starten. Der Motor sprang nicht an. Mißmutig lehnte sie sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Und plötzlich war ihr, als hörte sie Schritte.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie starrte angestrengt in die Dunkelheit hinaus. Stand dort nicht ein Mann mit einem riesigen Schlapphut?
Ihre Hände verkrampften sich. Was war, wenn Dietmar wirklich recht hatte? Was war, wenn das Mädchen einem geistesgestörten Mörder zum Opfer gefallen war, der ihr das Blut ausgesaugt hatte? Vielleicht war er durch sie gestört und von seiner Beute vertrieben worden? Vielleicht wollte er zurückkehren, schreckte aber davor zurück, weil sie hier mit dem Wagen bei der Leiche wartete? Konnte er dann nicht dazu verleitet werden, sich ein neues, noch lebendiges Opfer zu suchen?
Unwillkürlich faßte Ira sich an den Hals. Ihr war kalt; schrecklich kalt. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Hörte man nicht immer wieder, daß es den Mörder an den Ort seines Verbrechens zurücktrieb?
Sie schaltete die Scheinwerfer ein und blendete voll auf. Leer und verlassen lag die Landstraße vor ihr. Eine Ratte floh in die Dunkelheit zurück. Auf der Straße bildeten sich große Pfützen. Ira sah das blonde Haar des Mädchens im Gras schimmern. Ihr war als bewegte es sich.
Sie schloß die Augen, weil sie glaubte, sich getäuscht zu haben. Als sie sie wieder öffnete,
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