0860 - Dämonische Zwillinge
weg.
Mit dem Kopf und einem Teil des Oberkörpers rutschte Tanner über den Grasboden hinweg, und zwar genau in die Richtung, in der die beiden Gräber lagen. Er hatte keine Ahnung davon, was genau geschehen würde, aber er konnte sich durchaus vorstellen, daß eines der beiden Grablöcher für ihn zweckentfremdet werden sollte.
Gras, Unkraut, wild wachsende Sommerblumen, das alles streifte durch sein Gesicht. Er spürte die klebrigen Häute überall. An den Wangen, am Kinn, auch auf den Lippen. Daß seine Kleidung beschmutzt wurde, war ihm ebenfalls egal, er wollte nur wieder zu Kräften kommen, bevor man ihn in das Grab hineindrückte.
Der Wunsch blieb, nur die Erfüllung wurde ihm versagt. Als das Sonnenlicht sein Gesicht erwischte, war ihm klar, daß sie sich bereits in der Höhe der beiden Gräber befanden, und Tanner dachte auch an die Trauergemeinde.
Warum waren sie denn noch nicht da? Warum ließen sie sich, um alles in der Welt, soviel Zeit?
Keiner der beiden teuflischen Zwillinge hielt ihn mehr fest. Sie hatten anderes zu tun. Tanner gelang es, den Kopf ein wenig in die Höhe zu drücken, um so nach vorn zu schauen.
Beide hatten sich rechts und links eines Grabes aufgebaut, sich gebückt und zogen die Holzplanken weg, als wären sie vom Gewicht her nur Strohstücke.
Diese Kraft der beiden war unwahrscheinlich. Das wollte ihm nicht in den Kopf. So etwas konnte nicht möglich sein. Es ging nicht mir rechten Dingen zu.
Die Zwillinge arbeiteten schnell und geschickt. Innerhalb kürzester Zeit hatten sie die Planken weggeschafft und das Grab freigelegt.
Für ihn!
Innerlich stieg das Eis in ihm hoch, als er die beiden Wesen auf sich zukommen sah.
Er wollte sich wehren, das schaffte er nicht.
Er hing einfach fest.
Der Schmerz hatte ihn gelähmt. Wenn er versuchte, seinen Arm anzuheben, schaffte er nur ein Zucken, mehr nicht. Bei den Beinen wiederholte sich dieses grausame Spiel, selbst einen Schrei konnte er nicht ausstoßen, die Kehle saß zu.
Mit einer spielerisch anmutenden Leichtigkeit schafften es die beiden »Kinder«, ihn auf des Grab zuzuziehen. Mit den Beinen zuerst würde er es erreichen, und schon sehr bald glitten sie über die Grabkante und knickten nach vorne weg.
Hände zerrten an seinen Hüften, und der Rest des Wegs war nur mehr ein Kinderspiel.
Er fiel.
Diesmal löste sich der Schrei. Er war zu leise, und der Aufprall warf Tanner um.
Er hatte zwar mit den Füßen den Grund berührt, er war aber nicht in der Lage, eine Standfestigkeit zu erreichen. Sein Körper fiel nach vorn, er prallte mit dem Gesicht gegen die gegenüberliegende Grabwand und spürte nicht mal, daß er sich die Nase aufgeschlagen hatte und das Blut daraus hervorsickerte.
Sein Körper sackte zusammen. Verkrümmt blieb er auf den Grabboden liegen.
Bewußtlos war Tanner nicht geworden, sehr schwach konnte er sich bewegen. Mit großer Mühe drehte er den Kopf so, um an der Grabwand hochschauen zu können.
Für einen Moment sah er noch ihre bösen Köpfe. Einer der Zwillinge sprach zischend von einer Sense, der andere schüttelte den Kopf. Mit seinem kleinen Arm deutete er über das Grab hinweg und nach vorn.
Sofort danach kam Bewegung in die Beine. So schnell und so gut wie möglich legten sie die Planken wieder quer über das offene Grab, und Tanner beobachtete, wie die Dunkelheit zunahm.
»Wir töten dich noch, wir töten dich noch!« zischelte es durch die Ritzen.
Weitere Worte hörte er nicht. Nur mehr schleifende Tritte. Ein Zeichen, daß sich die beiden Zwillinge zurück zogen. Tanner konnte dankbar sein, daß er noch lebte…
***
Gerettet hatte ihn tatsächlich die Trauergemeinde, zu der auch Suko und ich gehörten. Aus der Deckung einer Hecke waren wir erschienen, aber die beiden Killerkinder hatten uns schon vorher gesehen, ohne daß wir sie zu Gesicht bekommen hatten. So hatten sie dann alles wieder gerichtet, und waren blitzartig verschwunden. Einfach untergetaucht, bei ihrer Größe kein Problem.
Und so hatten auch wir sie nicht gesehen. Zudem waren die meisten der Beteiligten mit sich selbst beschäftigt und zeigten kaum Interesse für die Umgebung.
Wir hatten den Ort fast erreicht. Die Bäume standen weiter auseinander, es gab mehr Platz, eine freie Rasenfläche, von Wegen durchschnitten wie ein Park.
Neue Gräber boten sich unseren Blicken. Einige von ihnen waren noch nicht eingeebnet worden.
Kein Mensch arbeitete in diesem Gebiet. Es wirkte so schrecklich leer, wie eben ein Ort der Toten
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