0860 - Dämonische Zwillinge
ein Dämon, war er ein Engel?
Josephiel hielt sich für einen Engel. Wenn, dann gehörte er zu den Abtrünnigen, die es wieder einmal versuchen wollten. War er ein Dämon, so stand er mit der Macht des Bösen in einer direkten Verbindung.
Einfach?
Überhaupt nicht, trotzdem hatte der Abbé das Gefühl, daß dieser Fall noch kompliziert werden würde. Zudem hatte Josephiel, wenn ihn nicht alles täuschte, von einem Erbe gesprochen. Was dieses Erbe sein sollte oder war, darunter konnte er sich nichts vorstellen.
Ein höllisches, ein himmlisches Erbe?
Bloch schüttelte den Kopf. Er kam so nicht mehr zurecht. Er mußte einen anderen Gedankenweg einschlagen, aber nicht allein, sondern zusammen mit John Sinclair und Suko.
Und er durfte den toten Pierre nicht vergessen. Dieser junge Templer, den der Abbé mit auf die Reise genommen hatte, war dem Mörder in die Quere gelaufen und hatte dafür mit seinem Leben bezahlen müssen. Er lag irgendwo tot auf einem der Decks.
Bloch sprach für ihn ein stummes Gebet. Dabei schaute er nach vorn und sah die zerstörte Lehne eines Sitzes. Er erinnerte sich an Josephiels Demonstration. Dieses Wesen verfügte über eine irrsinnige Kraft. Der Mörder hatte es tatsächlich geschafft, die Lehne mit den Fingern einer Hand zusammenzudrücken. Das war normalerweise unmöglich, doch Bloch hatte es mit eigenen Augen gesehen.
Im Nachhinein schauderte er noch zusammen, und sein Mund zuckte, wenn er daran dachte.
Kräftemäßig war Josephiel allen Menschen überlegen. Auch bei John Sinclair und Suko würde es sich so verhalten. Man mußte ihn mit anderen Mitteln bekämpfen, und Bloch konnte nur hoffen, daß sich der Mörder nicht so schnell erholte.
Er hörte auf dem Gang Geräusche. Wenig später erschien die Gestalt des Schaffners an der Abteilstür. Der Mann war völlig aufgelöst. Seine Augen zeigten einen fiebrigen Ausdruck, als er in das Abteil schaute, und er mußte einige Male tief Luft holen, um überhaupt sprechen zu können.
»Was ist denn los?«
Der Schaffner lehnte sich an die Tür. Er schüttelte dabei den Kopf. »Es ist nicht zu glauben, aber… aber… wir haben auf dieser Fähre einen Toten.«
»Wie bitte?«
»Ja, ja…!«
»Ist jemand gestorben?« Bloch tat ahnungslos.
Der Mann holte erst einmal Luft. »So kann man es auch sagen. Klar, er ist gestorben, aber er kam nicht auf natürliche Art und Weise ums Leben. Er wurde umgebracht.«
»Bitte?«
»Ermordet«, flüsterte der Schaffner.
»Nein!«
»Doch, Hochwürden, doch. Er wurde ermordet, gekillt, erschlagen, wie auch immer. Er kam auf eine schreckliche Art ums Leben, das kann ich Ihnen sagen.«
»Wo passierte es denn?«
»Auf dem Deck eins.«
»Kenne ich nicht.«
»Dort stehen die Autos.«
»Aha.« Bloch nickte. »Wissen Sie denn, wer der Mann ist, den man umgebracht hat?«
»Nein. Aber das wird die Polizei in Dover regeln, die bereits alarmiert wurde.« Er kam näher an den Abbé heran, und Bloch konnte den Schweißgeruch wahrnehmen. Der Schaffner senkte seine Stimme zu einem tiefen Flüstern. »Wissen Sie, was ich vermute?«
»Sie werden es mir sagen.«
»Natürlich. Dieser… dieser Mörder muß sich noch an Bord befinden. Er ist noch nicht verschwunden. Er ist noch hier, verstehen Sie?« Der Schaffner deutete in verschiedene Richtungen. »Noch hier an Bord.«
»Das wissen Sie genau?«
»Klar. Was soll er denn tun? Ins Wasser springen vielleicht? Nein, das glaube ich nicht.«
»Ja, da haben Sie recht.« Der Abbé tat, als wäre er sehr erschüttert. Er brauchte dabei nicht zu spielen. Seine nächste Frage beschäftigte sich mit einem anderen Thema. »Sagen Sie, wann werden wir in Dover anlegen?«
»In etwa zehn Minuten. Die Reisenden sind bereits auf dem Weg zu ihren Wagen und zum Zug. Die werden sich wundern, wenn plötzlich die Polizei an Bord kommt. Himmel, wird das eine Menge Verhöre geben!«
»Das glaube ich auch.«
Der Schaffner nickte. »Sie haben ja damit nichts zu tun. Sie waren ja immer hier.«
Bloch mußte lächeln. »Mal ehrlich, guter Mann, trauen Sie mir so etwas zu?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann bedanke ich mich.«
Vielleicht hätte der Schaffner noch länger gesprochen, das aber war nicht möglich, denn die ersten Reisenden waren dabei, den Zug zu betreten, und so würde er alle Hände voll zu tun haben.
Bloch setzte sich wieder. Er war plötzlich gelassen geworden, auch wenn er innerlich um seinen Begleiter trauerte. Nur durfte er sich von seinen Gefühlen nicht
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