0863 - Die Sirene von Atlantis
die eigentliche Kraft, und sie hat mich auch stark gemacht.«
Kara schüttelte den Kopf. »Woher weißt du das? Doch nicht von meinem Vater.«
»Nein, nicht von ihm. Er ist zwar ein mächtiger Mann, auch ein Magier, aber er steht nicht auf der richtigen Seite. Ich denke an die andere Magie.«
»Die dunkle und gefährliche?«
»Ja, an sie.«
Kara erschrak zutiefst. In ihre Augen trat ein gewisser Widerwillen, und sie nahm Roya gegenüber eine gewisse Abwehrhaltung ein.
»Das… das möchte ich nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Damit will ich nichts zu tun haben.«
»Du willst nicht mächtig werden?«
»Doch, mächtig und erwachsen. Aber nicht so wie du. Nicht diesen Weg, ich gehe den meinen.«
Roya hob die Schultern. »Daran kann ich nichts ändern.« Sie interessierte sich nicht mehr für ihre Nachbarin, denn sie hatte eine fast schneeweiße Katze entdeckt, die durch den Garten schlich, dabei Pfützen durchquerte und mal kurz im Dunst verschwand.
Roya zog die Lippen zurück, schnalzte dabei mit der Zunge. Die Katze blieb stehen. Sie hatte die Lockrufe gehört. Bedächtig drehte sie den Kopf.
»Komm her, komm her…«
Noch zögerte die Katze.
Roya lockte sie wieder. In den Schnalzpausen murmelte sie zu Kara hin gewandt: »Ich werde dir zeigen, was ich mit meiner Zukunft meine. Warte nur ab…«
Die Katze hatte endlich ihren Widerstand überwunden. Sie tappte auf die beiden Mädchen zu, was die Blonde freute. »Ja, so ist es gut, so ist es brav, meine Kleine…«
Das Tier traute sich immer näher an die Lockende heran. Es erreichte Royas Beine, drückte ihren Kopf dagegen und rieb ihn, wobei er sich noch drehte.
Roya streckte der Katze den Arm entgegen. Ihre Hand streichelte das noch feuchte Fell. Das Tier fühlte sich nur für einen Moment wohl. Auch Kara hörte das leise Schnurren, das jedoch von einem bissigen Fauchen übertönt wurde.
Etwas hatte das Tier gewarnt. Es spürte, daß man es nicht gut mit ihm meinte, aber es war schon zu spät. Da hatte Roya bereits zugegriffen. Sie war mit der Hand unter den Bauch der Katze gefahren und hob sie mit einer blitzschnellen Bewegung hoch.
Das Tier schrie, fauchte, es bewegte sich, es schlug mit den Beinen um sich, es wollte mit seinen Krallen ein Ziel finden und riß auch einige Streifen in die Haut des Unterarms.
»Laß sie doch los!« bettelte Kara.
»Ja, und wie!« Roya griff auch mit der anderen Hand zu. Die spannte sie um die Kehle der Katze.
Das Tier schrie noch jämmerlich auf, es hatte wohl gespürt, daß der Tod nah war.
Dann verstummte es.
Lachend hatte Roya der Katze mit einem brutalen Griff den Hals umgedreht. Ihre spitzen Fingernägel stachen dann durch das Fell.
Aus den Wunden strömte Blut, spritzte zu Boden und hinterließ zwischen vom Regen abgerissenen Blüten ein dunkles Muster.
Kara war entsetzt. Sie konnte kein Wort sagen. Dafür schaute sie zu, wie Roya den Kadaver fortwarf und auf ihre blutbeschmierte Hand schaute. Sie schielte auch zur Seite, denn sie wollte Karas Reaktion erleben.
Die wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte sich von Roya entfernt und hörte deren flüsternde Stimme. »Das hat dir nicht gefallen, wie?«
»Nein, nein. Wie konntest du nur so etwas tun? Das Tier hat dir nichts getan, es ist…«
»Ich wollte dir nur meine Zukunft zeigen. Es ist ein Bild, denn so habe ich sie mir vorgestellt.«
»Durch Mord? Durch Töten und…«
»Kampf, Kara, nur Kampf!«
Das dunkelhaarige Mädchen faßte es nicht. Es wollte auch nicht weiter darüber nachdenken. Plötzlich sprang Kara in die Höhe. Im ersten Moment sah es so aus, als wollte sie der Blonden noch etwas sagen. Dann aber überlegte sie es sich anders. Auf dem Absatz machte sie kehrt und rannte weg, begleitet vom Lachen ihrer »Schwester«…
***
»Himmel, was ist mit mir?« Die Schöne aus dem Totenreich fragte es und hörte Myxins leises Lachen. Danach seine beruhigend klingende Stimme.
»Du brauchst dir weder Sorgen noch Gedanken zu machen. Es geht uns beiden gut.«
Kara schlug die Hände vor ihr Gesicht. Nur allmählich fand sie wieder zu sich selbst. Sie war sich wie eine Person vorgekommen, die über dem Erdboden schwebte und erst jetzt die Chance erhalten hatte, niederzusinken.
Unter sich spürte sie den harten Druck des großen Steins, auf dem sie und Myxin saßen. Die Welt hatte sie wieder, die Nacht, aber auch die Dunkelheit.
Langsam sanken ihre Hände nach unten. »Du hast mich gefangen, Myxin, ich war in deinem Netz…«
Der
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