0864 - Friedhof der Vampire
Überall sah sie Gräber und Grabsteine, so weit ihr Blick reichte. Hier mussten Tausende toter Vampire liegen!
Vergeblich hielt sie nach Inschriften Ausschau. Auf die Namen der Vampire hatte wohl niemand Wert gelegt. Kalt lief es Nicole über den Rücken bei dem Gedanken, dass Zamorra in einem solchen namenlosen Grab für immer verschwinden würde, und dass ihr beinahe dasselbe passiert wäre.
Wo war Zamorra? Wohin hatten sie ihn geschleppt?
Sie hoffte, dass noch etwas Leben in ihm war. Dann konnte sie ihm helfen. Aber tot oder lebendig, sie war gewillt, ihn zu finden und durch ein künstliches Weltentor heimzubringen. Wie es ging, hatte er ihr ja gezeigt, und sie hatte es sich genau gemerkt.
Neben einem Grabstein, der vom Tor aus kaum zu sehen war, entdeckte sie die Goldhaarige. Aber da war auch noch etwas anderes. Schwefelgestank, der langsam verwehte.
Stygia war also tatsächlich hier gewesen und jetzt verschwunden. Und das sicher nicht, weil Nicole bisher überlebt hatte. Es konnte nur bedeuten, dass sie ihr Ziel erreicht hatte und Zamorra tot war!
Sie presste die Lippen zusammen. Ein bedrückendes Gefühl, eine Mischung aus Zorn und Angst um Zamorra, breitete sich in ihr aus.
Die Goldhaarige sah sie an, sagte aber nichts.
Es hatte keinen Sinn, sie noch einmal mit dem Pflock anzugreifen. Wie beim ersten Mal, würde sie einfach verschwinden. Diese Fähigkeit hatte die Kopie vom Original übernommen, den zeitlosen Sprung. Oder verfügte sie über eine ähnliche, aber andere Methode?
Das war Nicole egal.
Sie ließ den Pflock und den Hammer fallen und rief das Amulett!
Im nächsten Moment befand es sich in ihrer ausgestreckten Hand. Mit einem Gedankenbefehl aktivierte sie es und ließ es angreifen.
Ein silberner Blitz zuckte daraus hervor. Damit hatte die-Teri-Kopie offenbar nicht gerechnet. Sie schrie auf, als der Blitz ihren Körper durchschlug und zugleich in ein Lichtfeld hüllte. Sie begann zu brennen und löste sich auf. Aber nicht wieder in Form eines zeitlosen Sprunges , sondern sie zerfiel mit den sie umrankenden Blumen zu Asche, die dahin schwand, als habe es sie niemals gegeben.
»Na also«, murmelte Nicole. »Es geht doch.«
Sie ahnte nicht, dass die Silberscheibe bei Zamorra versagt hatte. Das lag daran, dass er den Vampirkeim und damit Schwarze Magie in sich barg. Das Dunkle bekämpfte das Dunkle nicht. Nicole war aber keine Vampirin, war nicht schwarzmagisch. Hier ging es Hell gegen Dunkel.
Hell, Dunkel… ihr fiel eine Textstelle ein, mit welcher der Schriftsteller Kurt Brand in seinem Buch »Die Ewigkeit ist voller Sterne« Redakteur und Verleger fast in den Wahnsinn getrieben hatte: Dunkleres Dunkel ist heller als dunkles Dunkel. Schließlich hatte Brand sich durchgesetzt, und der Satz war nicht gestrichen worden.
Sie verdrängte den Gedankenflug wieder. Es ging hier um Zamorra!
Die Teri-Kopie konnte ihr nicht mehr verraten, wohin auf diesem seltsamen Friedhof er gebracht worden war. Und sicher hätte sie die Frage auch nicht beantwortet.
Nicole ging weiter, schneller als zuvor. Nirgendwo lauerte jemand, um sie anzugreifen. Es war, als wäre hier alles in Totenstarre verfallen.
Stopp!
Da war ein offenes Grab!
Drei Skelette standen daneben. Sie bewegten sich nicht, nahmen Nicole überhaupt nicht wahr, als sie sich dem Grab näherte. Sie griffen nicht an, standen nur reglos da und sahen aus leeren Augenhöhlen irgendwo hin.
Nicole blieb dennoch wachsam. Sie war bereit, jederzeit das Amulett einzusetzen und die Skelette zu zerpulvern.
Sie warf einen Blick in das Grab.
Darin lag Zamorra. Der Pflock steckte noch in seiner Brust, Hemd und Anzug waren blutverschmiert.
Nicole atmete tief durch. Er darf noch nicht tot sein! Sie wandte sich an die Skelette. »Holt ihn da wieder raus, sofort!«
Glaubte sie tatsächlich, die Knochenmänner würden ihr gehorchen?
Sie reagierten nicht!
Nicole benutzte das Amulett und vernichtete sie vorsichtshalber. Sie wollte nicht überrascht werden. Vielleicht wiegten sie sie ja nur in Sicherheit, um dann über sie herzufallen.
Das konnten sie jetzt nicht mehr. Sie existierten nicht mehr.
Nicole kletterte in das Grab hinunter. Es war eine mühsame Arbeit, Zamorra anzuheben und über den Rand der Öffnung zu hebeln. Beinahe hätte sie es nicht geschafft, selbst auch wieder nach oben zu kommen.
Sie legte eine längere Ruhepause ein, um sich von der Anstrengung zu erholen. Eine weitere stand ihr noch bevor. Denn sie musste das künstliche Weltentor
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