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0866 - Rattennacht

0866 - Rattennacht

Titel: 0866 - Rattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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leckte ihm tatsächlich die Schuhe ab. Cunard hatte seinen großzügigen Tag. Er war dafür bekannt, daß er Penner nicht mochte. Vielleicht deshalb, weil er ebenfalls aus der Gosse stammte. Einige von ihnen hatte er bereits schwer verletzt oder sogar totfahren lassen. Wen kümmerte das schon? Auch mit diesem Alten hatte er das gleiche vorgehabt, doch in einem Anfall von Großmut beschloß er, den Mann am Leben zu lassen. Er wollte nur saubere Schuhe haben, und alle in der Nähe sollten zuschauen und sehen, wie er es genoß.
    »Fertig?«
    »Ja.«
    »Laß mich sehen!«
    Der Alte bog den Oberkörper zurück. Noch immer kniete er am Boden. Diesmal den Kopf angehoben. Er hätte Cunard mit einem hündischen Blick anschauen sollen, so hätte es sich der kleine Fürst gern vorgestellt, doch er tat es nicht.
    Der Ausdruck in seinen Augen war geblieben.
    Cunard fröstelte.
    Er blickte auf seine Schuhe.
    Sie waren wieder blank, aber noch feucht vom Speichel, und das gefiel ihm auch nicht. »Wisch sie trocken.«
    »Ja, sofort.«
    Der Mann tat es mit dem Ärmel seines Mantels. Er wischte kräftig und zuckend, als hätte er es schon immer getan. Nach einer Weile blickte er Cunard wieder an. »Ist es recht so?«
    Der Mulatte schaute hin. »Ja, es ist gut.«
    »Danke.«
    »Hm«. Cunard überlegte, was er tun sollte. Er dachte wieder an die Augen und an seine innere Warnung. Am besten wäre, wenn er diesen Penner tötete. Dann aber durfte die Leiche nicht gefunden werden. Es gab zu viele Zeugen in der Nähe, die zuschauten, und die Bullen hätten leicht auf seine Spur stoßen können.
    »Wie heißt du?«
    »Absalom.«
    »Wie?«
    »Absalom.«
    Cunard lachte. Aus Unsicherheit, weil er mit diesem Namen nichts anfangen konnte. »Wie kann man jemand nur so nennen? Was ist das überhaupt für ein Name?«
    »Ein sehr alter.«
    »Klar, so hört er sich auch an.«
    »Ein biblischer.«
    Cunard lachte. »Mit der Kirche habe ich es nicht. Mich hat mal ein Pfarrer rausgeworfen, nur weil ich vor Jahren mal in einer Kirche gedealt habe.«
    »Ich kann nichts für meinen Namen.«
    »Ja, weiß ich.« Er überlegte noch immer. Die anderen warteten. Tod oder Leben?
    »Verpiß dich! Hau ab! Steh auf und verschwinde!«
    Für einen winzigen Moment schienen die Augen des anderen heller zu leuchten, dann nickte der Alte und erhob sich mit einer katzenhaft schnellen Bewegung, die seinem Alter nicht angemessen war. Er verbeugte sich, er lächelte, hob einen Finger, drehte sich auf der Stelle und war so schnell verschwunden, daß Cunard seinen Vorsatz wirklich nicht mehr ändern konnte, ohne daß er diesem Absalom die Bodyguards nachgeschickt hätte. Starr stand er vor der Bar.
    Auf einmal wußte er Bescheid.
    Er hatte einen Fehler gemacht. Er hätte diesen Kerl nicht laufenlassen sollen. Allein der Blick war schlimm gewesen, vergleichbar mit einem Versprechen.
    Was tun?
    Cunard drehte sich um. Er ging zurück in die Bar. Er wollte was trinken, Schnaps, Champagner, einfach alles. Und dann die Weiber, je mehr, um so besser.
    Nur so würde er den Blick vergessen können…
    ***
    »Kannst du etwas erkennen?« fragte Suko.
    Shao nickte. Sie spürte Sukos Hände an ihren Hüften und verließ sich voll und ganz auf diese Stütze. Um überhaupt etwas sehen zu können, hatte sich Shao zusätzlich auf die Zehenspitzen gestellt.
    Es war ihnen beiden nicht recht, daß sie sich so verhielten, aber hier in Paris und im Urlaub war sowieso alles anders. Da konnten sie sich treiben lassen, da dachten sie nicht an den Job, nicht an Dämonen und andere Geschöpfe der Finsternis, obwohl Paris eine besondere Bedeutung zumindest in Sukos jüngster Vergangenheit besessen hatte. Darüber hinaus würden sie bestimmt noch einige Orte aufsuchen, aber der reine Urlaub und die traute Zweisamkeit standen im Vordergrund.
    Zwei Tage Paris lagen schon hinter ihnen. Sie hatten sie genossen. Am Tag und in der Nacht.
    Im bunten Licht einer flackrigen Barbeleuchtung sah Shao vier Männer. Drei standen, und einer, der genau das Gegenteil dieser anderen geckenhaften Gestalten war, kniete, wobei er den Oberkörper nebst Kopf weit vorgestreckt hatte und dem Eleganten die Schuhe küßte oder sogar ableckte.
    Shao wollte es nicht glauben und schüttelte den Kopf.
    »Was ist denn?« Suko hatte die Bewegung gesehen und war neugierig geworden.
    »Da küßt ein alter Mann einem aufgemotzten Dandy die Schuhe!«
    »Was?«
    »Wenn ich es dir sage!«
    Suko ließ Shao nach unten rutschen. Kaum hatte sie den

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