0868 - Die Toten-Krypta
Arbeit?«
»Sie sollten nicht vergessen, daß ich Polizist bin.«
»Ja, ein Engländer, der hier herumschnüffelt.«
»Mögen Sie keine Engländer.«
»So ist es.«
»Dann lassen Sie mich am besten in Ruhe, sonst friß Sie Ihr eigener Haß noch auf.«
»Das hätten Sie wohl gern. Nein, nein, Sie haben hier schon genügend Unheil angerichtet.«
»Ich?«
»Ja, Sie.«
Ich hob nur die Schultern. Es war mir einfach zu dumm, mich mit dieser Person zu streiten. Gespannt war ich auf die Reaktion des Arztes, denn ich konnte Prudomme eigentlich schlecht einschätzen. Er war nicht unbedingt mein Feind, er stand mir sogar glücklicherweise neutral gegenüber, was ich nicht immer in ähnlich gelagerten Fällen erlebt hatte, doch mir persönlich war er einfach zu inaktiv, was das Verhältnis zu seinen Patienten anging.
Wir hatten seine Bürotür erreicht und blieben stehen. »Soll ich klopfen, oder wollen Sie?«
»Danke für Ihre Mühe, Madame, aber das übernehme ich gern.«
»Bitte.«
Ich klopfte, wartete, hörte die Antwort und betrat das Büro des Klinikchefs, das so geräumig war, um sich darin wohl fühlen zu können.
Claire blieb hinter mir. Ich hörte sie scharf ausatmen, drehte mich jedoch nicht um und schritt auf den Schreibtisch zu, hinter dem Dr. Prudomme hockte und zumindest so tat, als würde er uns nicht wahrnehmen. Er war in eine Akte vertieft.
Die schlug er genau in dem Moment zu, als ich vor seinem Schreibtisch stehenblieb. Er schaute hoch, und ich sah das müde Lächeln auf seinen Lippen.
»Nun, Monsieur Sinclair, haben Sie bei der Patientin etwas erreicht?«
»Noch nicht.«
»Das dachte ich mir.«
»Wieso?«
Er fuhr auf seinem Stuhl zurück.
Erst jetzt schien er Claire wahrzunehmen. Er schaute sie nur kurz an, sagte kein Wort zu ihrer Begrüßung, schickte sie aber auch nicht weg. »Es war klar, daß Sie an Emily Craton nicht herankommen können. Sie sind kein Fachmann, ich möchte mich als einen solchen bezeichnen, aber auch mir ist es noch nicht gelungen, ihren Panzer zu knacken, obwohl wir ihr Bedingungen gegeben haben, die als optimal erscheinen. Sie lebt allein, sie hat, was sie braucht. Ich habe ihr in Madame Claire eine Ansprechperson gegeben, aber wir kommen an das Mädchen nicht heran.«
»Das glaube ich Ihnen.«
»Klar, Sie werden es selbst erlebt haben.«
»Ihnen geht es um den Doppelmord«, sagte ich.
Prudomme schüttelte den Kopf. »Nein, nicht unbedingt oder nur vordergründig. Ich will herausfinden, weshalb sie es tat, warum diese Haßgefühle plötzlich vorhanden waren, und nur wenn ich das geschafft habe, sehe ich eine Chance zur Heilung. Aber es wird dauern, Monsieur Sinclair. Es werden Jahre vergehen, sage ich Ihnen.«
»Pardon, Doktor, wenn ich mich einmische.« Claire trat ebenfalls dicht an den Schreibtisch heran.
»Ich glaube nicht, daß dieser Mensch hier den richtigen Weg gegangen ist.«
»Nein…?«
Sie nickte.
Der Arzt hob die Schultern. »Sie sind eine erfahrene Mitarbeiterin. Berichten Sie.«
»Deshalb bin ich auch mitgegangen und habe diesen Herrn nicht aus den Augen gelassen.« Sie warf mir einen bösen Blick zu. »Ich konnte oder durfte erleben, wie er mit unserer Patientin umging. Er hat sie nicht beruhigt, er hat sie nervös gemacht. Ja, er machte sie… Himmel, ich will nicht verrückt sagen, er brachte sie durcheinander, denn er sprach sehr oft von einer geheimnisvollen Phantasiegestalt, die er angeblich kennt, die letztendlich aber nur in den Träumen der Patientin existiert und nicht in Wirklichkeit.«
Doktor Prudomme hob die Augenbrauen und blickte mich dabei intensiv an. »Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen, Monsieur Sinclair?«
»Sie stimmen nicht.«
Claire lachte scharf. »Wie wollen Sie das beurteilen können? Ausgerechnet Sie?«
»Ich kann es beurteilen.«
»Erklären Sie es mir bitte«, verlangte der Arzt von mir.
»Deshalb bin ich auch zu Ihnen gekommen. Ich weiß nicht, was Sie bei Ihrer Patientin bisher herausgefunden haben, aber ich möchte Ihnen sagen, daß es bei Emily Tiefen gibt, die erst noch ergründet werden müssen. Ich gehe sogar so weit, um von Gefahren zu sprechen, die auch durch sie heraufbeschworen wurden. Wenn Sie nach einem Grund fragen, dann kann ich Ihnen sagen, daß es mit ihrer außergewöhnlichen Begabung zusammenhängt, dem Talent des Malens oder Zeichnens.«
Prudomme gab mir recht. »Das habe ich schon immer bewundert. Ich halte es für eine Therapie. Ich glaube, daß durch die Bilder heilende Kräfte
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