0868 - Die Toten-Krypta
unterhalten.
Barry lächelte, als er daran dachte, daß er bald unter den Strahlen der Dusche stehen würde, auch wenn es in seiner Dachwohnung mit den schrägen Fenstern kaum angenehmer war als in der U-Bahn. Dort aber war er wenigstens allein.
Bei normalem Wetter verspürte er nach dem Feierabend stets einen gewissen Hunger. Zumeist besuchte er Schnellrestaurants, um sich für den Abend einzudecken. Mal einen Hamburger, mal eine Pizza, aber auch einen Hot Dog oder ein Sandwich verschmähte er nicht.
An diesem Abend jedoch fehlte ihm der Appetit. Er würde sich eine Dose Bier vornehmen, vielleicht noch eine und auch eine dritte… Der Körper kam ihm vor wie ausgetrocknet.
Die Fahrt kam ihm an diesem Tag so schrecklich lang vor, obwohl es nur fünf Stationen waren, bis er aussteigen konnte. Bracht war einer der ersten, die den Wagen verließen. So schnell wie möglich eilte er an die Oberfläche, um die restliche Strecke bis zu seiner Wohnung zurückzulegen.
Er lebte in einem alten Haus unter dem Dach, wo sich die Wärme staute. Im Haus gab es keinen Lift. Barry F. Bracht mußte durch eine Luft laufen, die ihm auf den Magen schlug. Sie war nicht nur warm und stickig, sie roch auch nach irgendwelchen scharfen Gewürzen und nach Schweiß, so daß ihm jeder Atemzug zur Qual wurde.
Bracht hatte die Wohnungstür kaum hinter sich geschlossen, als er die zwei sich gegenüberliegenden Fenster öffnete, um so Durchzug zu schaffen.
Der Durchzug brauchte kaum Kühlung. Eine Klimaanlage wäre ideal gewesen, davon aber konnte er nur träumen.
Das Bier ließ er im Kühlschrank, jetzt war die Dusche wichtiger. Im kleinen Bad streifte er die feuchte Kleidung vom Körper, legte sie zusammen und betrat die Duschwanne.
Lauwarmes Wasser ergoß sich kaskadenartig über ihn, und Bracht genoß es. Er spülte sich alles ab, was ihn bisher gestört hatte, er seifte sich in Ruhe ein, und jeder der schimmernden Wassertropfen war für ihn wie ein kostbares Geschenk. Dann drehte er die Hähne zu, denn er wollte nicht zuviel Wasser verschwenden. Noch naß, aber eingewickelt in ein Badetuch verließ er die Dusche und holte sich aus dem Kühlschrank eine Dose Bier. Seine Augen leuchteten, als er das zischende Geräusch hörte, mit dem der Verschluß geöffnet wurde. Sekunden später duschte er sich von innen. In diesem Augenblick gab es für ihn nichts Köstlicheres auf der Welt, als sich dem Bier hinzugeben.
In Unterhose, Shorts und einem blauen T-Shirt marschierte er wenig später zum Fenster und schaute zu, wie der Himmel seine sommerliche Farbe verlor.
Barry wußte, daß sich viele Menschen um diese Zeit bereit machten, um in die Biergärten zu gehen, doch es war Vollmond, und diese Nächte gehörten nun mal zu den besonderen in seinem Leben. Da hatte das Schicksal mit dem Hammer zugeschlagen. Ein sehnsüchtiges Lächeln umspielte seine Lippen. Barry dachte an eine junge Frau, der er versprochen hatte, sie anzurufen, um mit ihr auszugehen.
Nicht jetzt, nicht heute, nicht bei Vollmond!
Wie hätte er der Frau erklären sollen, was mit ihm los war? Mit wem sie da an einem Tisch saß und trank…
Sein Schicksal war in manchen Fällen ein Fluch, und eine Frau zu finden, die sein Leben akzeptierte, war wohl unmöglich.
Mit dem Bier in der Hand setzte er sich auf das Bett und ließ sich langsam nach hinten fallen. Er schlief direkt unter einem der Fenster. Kein Hindernis, auch nicht eine Scheibe, sollte seinen klaren Blick in den Himmel trüben. Er kannte die Eigenschaften der Gestirne und wußte auch, welchen Weg sie auf ihrer Wanderung nahmen. Deshalb wußte er, daß sehr bald der Mond in sein Blickfeld geriet.
Hin und wieder nahm er einen Schluck aus der Halbliterdose. Im Büro war er sich vorgekommen wie verzerrt, hier aber fiel die Last von ihm ab. Er fühlte sich leicht, entspannt und auch ein wenig müde. Das Gefühl, etwas essen zu müssen, war bei ihm noch nicht eingetreten, und es würde auch nicht so kommen, das wußte er genau.
Seine Augenlider wurden schwer. Er bewegte träge die rechte Hand und hörte das Bier in der Dose gluckern. Dieses Geräusch sagte ihm, daß es Zeit wurde, die Dose zu leeren, was er auch tat, aber er brachte sie nicht weg, sondern stellte sie neben sein Bett.
Es ging ihm gut.
Zwar schwitzte er wieder, doch es war kein Vergleich zum Zustand in seinem stickigen Büro.
Er schaute durch das Fenster.
Es war ein Rechteck, scharf umkantet, aber diese Maße verschwammen vor seinen Augen, je länger er
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