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0869 - Der Affengott

0869 - Der Affengott

Titel: 0869 - Der Affengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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der Bevölkerung Sarangkôrs in dieser fremden Welt, in die die Stadt versetzt worden war, zu verhindern.
    Mittlerweile sah er diese Sterblichen als Werkzeuge an.
    Meistens.
    Bisweilen aber auch als Objekte seiner finsteren Lust an ihrer Angst und ihrem Grauen, das ihm selbst immer wieder aufs Neue ein Gefühl der Kraft gab.
    Und jetzt, da es wieder einen Zugang von seinem Reich zur Erde gab, konnte er die Sterblichen nach Bedarf zu seinen Knechten machen und gegebenenfalls hinüber schicken, um seine Aufträge auszuführen - auch wenn er da doch die geflügelten Affen bevorzugte. Ihnen fühlte er sich näher. Sie waren ihm schon rein körperlich sehr viel ähnlicher. Heng Son hatte außerdem das Gefühl, sich einfach besser auf sie verlassen zu können.
    »Ich meine nicht den Namen, den ich dir heute gab, sondern jenen Namen, mit dem du auf der Erde geboren wurdest«, sagte der Herrscher von Sarangkôr.
    »Louis Schneider«, antwortete der Kuttenträger.
    »Schlag deine Kapuze zurück.«
    Louis Schneider gehorchte.
    Das Gesicht eines vollkommen starr dreinblickenden Mannes kam zum Vorschein. Am Hals waren vernarbte Striemen zu sehen, die augenscheinlich von den siebenfingrigen Krallen eines geflügelten Affen stammten.
    »Ich brauche deine Seele nicht mehr, Louis!«, eröffnete der Herr des Schattenthrons.
    Louis Schneider zeigte keinerlei Regung. Das Gesicht blieb so maskenhaft wie bei einer Leiche. Nur in seinen Augen begann ein Leuchten aufzuglühen, das wenig später die gesamte Augenhöhle erfüllte und so grell war, dass die Lemuren im Thronsaal sich entweder kreischend abwandten oder ihre Augen mit ihren siebenfingrigen Händen schützten.
    Zuerst war es rot, wurde immer heller und verwandelte sich schließlich in ein helles Gelb, bevor es sich wieder verdunkelte und schwarz wurde.
    Schwärzer als die finsterste Nacht.
    Diese Schwärze wurde von einer unsichtbaren Kraft aus den Augen herausgesogen und verschwand im Schattenfeld Heng Sons, das seinen Körper umgab, den seit gut einem Jahrtausend kein Lemure und kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen hatte.
    Ein Zittern durchlief Louis Schneiders Körper.
    Er drohte kraftlos in sich zusammenzusinken.
    Zwei der geflügelten Affen flatterten auf einen unmissverständlichen Befehl ihres Herrn und Meisters herbei und packten den Körper von Louis Schneider an den Armen. Schlaff hing er in ihrem Griff. Der Kopf war nach vorne gesackt. Schlaff und ohne Leben. Die Augen leer und starr. Eine Leiche.
    Heng Son erhob sich von seinem Platz.
    Die Schattenzone bildete zwei gewaltige Arme, die sich den von der Decke des Thronsaals herabhängenden Schädeln entgegenstreckten.
    »Satamuet ketares!«, rief er.
    Worte, die einer Sprache entstammten, die viel älter war als das klassische Khmer der Angkor-Periode und die wohl auch kaum südostasiatischen Ursprungs war.
    In der Decke des Saales schob sich daraufhin eine Platte zur Seite.
    Eine Öffnung entstand in der Form eines Quadrats mit einer Seitenlänge von mindestens fünf Metern. Sie gab den Blick auf den Sternenhimmel preis. Das auffälligste Objekt war dort ein grünlich schimmernder Mond, dessen Färbung an einen gewaltigen Jadestein erinnerte.
    Lange Jahrhunderte hatte Heng Son den Anblick des Jademondes am Himmel dieser fremden Welt, die für ihn nichts weiter als ein verhasstes Gefängnis war, ertragen müssen.
    Aber diese Zeiten neigten sich nun dem Ende zu.
    Sarangkôr würde an seinen angestammten Platz zurückkehren und das Vergessene Land dem Vergessen entrissen werden.
    Den Bruder des Affengottes erfüllte dies mit Genugtuung.
    Er konnte es kaum noch erwarten, anstelle des Jademonds und der fremden Sternenbilder dieses Planeten endlich den Erdmond und die vertrauten Strukturen am Nachthimmel sehen zu können.
    All die Jahrhunderte hindurch hatte Heng Son diese Muster nicht vergessen.
    Noch einmal erhob er nun seine Stimme und sprach noch einmal ein paar Worte in jenem Idiom, dessen Worte magische Handlungen und Befehle hervorragend zu unterstützen vermochten.
    Der raschelnde Flügelschlag von mindestens zweihundert Lemuren der unterschiedlichsten Größen war im nächsten Moment zu hören. Das Geräusch schwoll an, bis es für menschliche Begriffe nahezu ohrenbetäubend war. Der Jademond und die Sternbilder dieser fernen Welt, die für Heng Son niemals so etwas wie ein Ersatz für die Erde oder gar eine Heimat hatte werden können, verdunkelten sich.
    Der Lemurenschwarm tauchte in den Thronsaal hinein. Einer

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