087 - Bei Vollmond kommt der Tod
Er schnappte nach Luft, und Schweiß brannte höllisch in seinen Augen.
Er rechnete mit dem Schlimmsten.
Gleich würde das Ungeheuer über ihn herfallen und ihm den Rest geben.
Das Feuerzeug, das er verloren hatte, flammte auf, und er sah nicht, wie er befürchtete, das Monster, sondern wieder diesen Mann. War alles nur ein Alptraum gewesen?
Aber die Schmerzen! Das Blut!
Nein, das war kein Schreckenstraum gewesen, sondern grauenvolle Realität.
Der Unbekannte grinste ihn triumphierend an. »Glaubst du mir jetzt, daß ich dich jederzeit töten könnte?«
»Ja«, stöhnte Leon Harper. »Ja…«
»Du hast Glück, daß ich dich gebrauchen kann. Deshalb lasse ich dir dein Leben. Aber stelle dich nicht wieder gegen mich. Hast du verstanden? Nie wieder! «
»Ja«, beeilte sich Harper zu sagen. »Ich habe verstanden.«
»Und du wirst gehorchen, wenn ich befehle?«
Harper nickte. Es war besser, zu gehorchen als zu sterben. Alles war besser, als zu sterben.
»Ich bin Eliot Oakland«, sagte der Fremde.
Oakland… Diesen Namen hatte Harper schon mal gehört. Aber in keinem besonders schönen Zusammenhang. Ein Oakland sollte plötzlich übergeschnappt sein. Angeblich war er zum Tier geworden und hatte die ganze Familie ausgerottet.
Zum Tier geworden… Das hatte Leon Harper nicht wörtlich genommen, doch nun sah er, daß man das verdammt wörtlich nehmen mußte. Dieser Mann hatte die schreckliche Fähigkeit, tatsächlich zum Tier zu werden !
Und ich befinde mich in seiner Gewalt! dachte Harper schaudernd.
Oakland bleckte die Zähne. »Ich sehe dir an, daß du schon von mir gehört hast.«
»Wenn du dieser Oakland bist…«
»Genau der bin ich.«
»Wieso kannst du dich… Du warst vorhin…«
»Ein Wolf«, sagte Oakland. »Sehr richtig, und ich könnte es sofort wieder werden.«
»Nein!« schrie Leon Harper erschrocken auf und hob abwehrend und beschwörend die Hände.
Er war kein ängstlicher Mensch, hatte Feiglinge immer verachtet. Bisher hatte er vor so gut wie nichts zurückgeschreckt.
Doch vor diesem Kerl hatte er einen Heidenrespekt.
»Du bist ein…«
»Werwolf«, sagte Oakland. »Sprich's getrost aus. Ja, ich bin ein Werwolf, und ich bin stolz darauf! Es ist etwas Besonderes. Du ahnst nicht, was für ein großartiges Gefühl es ist, im fahlen Licht des Vollmondes zu baden. Das Licht dringt dir durch die Haut, tief hinein in deinen Körper, und weckt einen Trieb, der dich stark macht. Es läßt dich zum Jäger werden. Deine Sinne werden um vieles schärfer. Du erlebst alles viel intensiver, genießt die Angst deiner Opfer. Du hast einen Dämon in dir, der dich zum Herren über Leben und Tod macht.«
Oakland redete so begeistert, daß Leon Harper nun doch an seinem Verstand zweifelte.
Der Kerl muß verrückt sein! dachte Harper. Doch im gleichen Moment erschrak er. Vielleicht kann Oakland Gedanken lesen. Was ist bei dem überhaupt noch unmöglich? Ich muß vorsichtig sein mit dem, was ich denke, sonst macht er mich doch noch fertig.
Oakland wies auf ihn. »Ich habe Pläne mit dir.«
Harper schluckte trocken. »Was hast du vor? Wie wird man zum Werwolf?«
»Es gibt da mehrere Möglichkeiten, zum Werwolf zu werden«, ging Eliot Oakland auf die zweite Frage ein. »Du wirst es am eigenen Leibe erleben. Wenn man von einem Werwolf in einer Nacht wie dieser verletzt wird, verwandelt man sich in der nächsten Vollmondnacht so wie er.«
Leon Harper riß die Augen auf. Er war verletzt worden!
»Dann… dann… bin ich… dann werde ich…«
Oakland nickte. »Ganz recht. Ich habe den Wolfskeim in deinen Körper versenkt. In der nächsten Vollmondnacht wirst du sein wie ich. Du wirst unruhig werden, lange bevor der Vollmond aufgeht. Du wirst die Nacht kaum erwarten können. Ein kaltes Prickeln wirst du auf der Haut, und ein heißes Ziehen darunter spüren, und ein Hunger wird dich quälen, der mit nichts zu stillen ist. Du kannst essen, soviel du willst, der Hunger wird bleiben, denn es ist nicht die herkömmliche Nahrung, nach der du gierst. Du willst etwas anderes haben: Menschenfleisch!«
Harper war das alles unbegreiflich. Er konnte sich nicht vorstellen, daß er sich bald ebenfalls in einen Wolf verwandeln können würde. Aber wenn Oakland es sagte, stimmte es mit Sicherheit.
»Das… das ist mir alles unvorstellbar«, stammelte Leon Harper.
»Ich habe vor, ein Wolfsrudel zu gründen«, sagte Oakland. »Du bist groß und kräftig. Ich werde das Rudel nur aus solchen Männern zusammenstellen, und
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