0871 - Der silberne Tod
brauchte nur durch die Scheiben zu schießen und konnte sich darauf verlassen, daß er uns irgendwann traf.
»Wir müssen raus«, sagte ich.
»Aber…«
»Joseph, stoßen Sie die Tür auf.« Bevor er das noch tat, drehte ich am Deckenlicht, so daß es nicht aufleuchtete, wenn die Tür geöffnet wurde.
Auf der dem Schützen abgewandten Seite drückte sich zuerst der zitternde Joseph Lacombe ins Freie, dann folgte ich ebenso vorsichtig, nur Suko blieb im Wagen liegen.
»Ich verteidige hier die Stellung, John. Laß mich mal in Ruhe. Vielleicht kann ich auch eingreifen. Holt euch den Hundesohn!«
»Darauf kannst du dich verlassen.«
Ich schloß die Fahrertür nicht ganz.
Dicht daneben blieben Joseph und ich hocken, darauf lauernd, daß noch ein weiterer Schuß abgefeuert wurde.
Das geschah nicht.
Es blieb still.
Der Killer rührte sich nicht. Er hockte in seiner dunklen Deckung am Rand der Straße und wartete sicherlich darauf, daß wir ihm ein neues Ziel boten. Den Gefallen taten wir ihm vorerst nicht.
Ich tippte Joseph an und erklärte ihm mit leiser Stimme, daß er auf jeden Fall an diesem Platz bleiben mußte. Er durfte sich auf keinen Fall zeigen, das wäre fatal gewesen.
»Wie Sie meinen. Wo wollten Sie hin?«
»Mir den Killer holen.«
»Gott, das schaffen Sie nicht.«
»Abwarten.« Noch war es nicht soweit. Hinter uns hatte das zweite Auto angehalten, und die Fahrerin hatte die Scheinwerfer gelöscht. Ich blickte gegen die Frontscheibe und glaubte, hinter dem dunklen Glas die Gesichter zu erkennen.
Ich gab ihnen ein Zeichen, den Wagen zu verlassen. Zumindest der Abbé hatte mich verstanden. Er nickte, dann öffnete er die Tür, die Innenbeleuchtung strahlte auf, sie kam mir in diesem Augenblick so verdammt hell vor, und ich zerquetschte mühsam einen Fluch zwischen den Zähnen. Zum Glück hatte Bloch mitgedacht. Er knipste sie rasch aus, so konnte er im Dunkeln den kleinen Fiat verlassen. Mit zischelnder Stimme flüsterte er Ramona etwas zu.
Auch sie kroch aus dem Wagen, ebenfalls aus der dem Schützen abgewandten Seite.
Bloch hockte neben mir. »Ich habe es gespürt, John. Der Würfel hat es mir mitgeteilt. Ich konnte euch im letzten Moment noch warnen, aber es war wohl zu spät.«
»Niemand ist verletzt, doch zwei Reifen sind getroffen worden.«
»Das heißt, wir hängen fest.«
»Wir zumindest.«
»Dieser Killer ist unwahrscheinlich, John. Er ist schnell, er ist raffiniert. Er hat uns verfolgen können, und er wußte über unsere Aktionen Bescheid.«
»Alles klar.«
Bloch räusperte sich. »John«, sagte er mit einer etwas verändert klingenden Stimme. »Ich glaube, daß ich dir etwas sagen muß.. Es tut mir leid, daß ich erst jetzt… aber ich… ich habe mich nicht getraut. Ich habe auch an einen Irrtum geglaubt.«
»Irrtum - wobei?«
»Ich denke, ich kenne ihn!«
»Den Rächer, meinst du?«
»Ja.«
Für einen Moment kriegte ich einen trockenen Hals. »Das ist ein Hammer. Wer ist es denn?«
»Du kennst ihn auch, denke ich.«
Blochs Stimme hatte sich dermaßen verändert, daß in mir schon ein Gefühl der Beklemmung hochstieg. Wenn er so redete, mußte er vor einer ungeheuren Entdeckung stehen.
Nur kam er nicht mehr dazu, mir Näheres zu erklären, denn ungefähr an der Stelle, von wo die Schüsse gefallen sein mußten, veränderte sich etwas. Dort tanzte plötzlich ein schwacher, aber dennoch heller Schein durch die Finsternis der Nacht. Er zeichnete einen bestimmten Weg nach, er war auch nicht strahlend hell, und ich konnte mir ebenfalls nicht vorstellen, daß er von einer Lichtquelle stammte, ich sah ihn eher als Spiegelreflex an.
Das war der Rächer!
Natürlich hatte mir der Abbé etwas sagen wollen, das hatte ich nun vergessen, denn der Rächer war jetzt wichtiger. Ich bewegte mich auch geduckt an Joseph Lacombe vorbei, der mich aber nicht ansprach und nur dorthin starrte, wo sich die Helligkeit abzeichnete.
Die vordere Kante der Kühlerhaube gab mir noch Deckung. Ansonsten war die Sicht für mich frei, und meine Blicke tasteten an der gegenüberliegenden Seite durch das Gelände, wo der Gegner lauerte.
Er blieb noch dort.
Zeit verrann. Ich wartete und hatte mich auf dieses Nervenspiel eingelassen.
Josephs Angst war zu spüren. Er kniete auf dem Boden, stöhnte leise und zitterte auch. Er bat um seine Waffe, die ich ihm aber nicht gab, weil ich nicht glaubte, daß sie gegen diesen Rächer etwas nutzte. Er war einfach anders. Obwohl ich ihn noch nicht gesehen hatte,
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