0874 - Die Gravo-Hölle
daß der Eindruck entstand, daß sie lebten.
Der Lufke ließ sich über den Sumpf hinwegtreiben und drehte sich dabei langsam um sich selbst. Er hoffte, irgendwo ein Anzeichen zu finden, an dem er sich orientieren konnte. Er beobachtete die Instrumente in seinem Helm, doch sie zeigten ihm nichts Ungewöhnliches an.
Wohin er auch kam, nichts erinnerte ihn an etwas, was er vorher schon einmal gesehen hatte. Er suchte den Felsspalt wieder, weil er meinte, von dort aus weiterkommen zu können. Er fand ihn nicht.
Dann aber glaubte er, ein rötliches Schimmern in der Ferne wahrzunehmen. Ein Blitz zuckte matt leuchtend durch die Atmosphäre. Er löste eine Knallgasexplosion von geringen Ausmaßen aus. Und wieder schien es Plondfair, als sehe er den sich aufwölbenden Energieschirm, der die Konditionierte Zone überspannte.
Er beschleunigte stärker und flog in die Richtung, die ihm Rettung verhieß. Als er den Energieschirm nach etwa fünfzehn Minuten jedoch noch immer nicht erreicht hatte, hielt er an.
Er schwebte über einem Ammoniak-See, der sich bis ins Endlose zu erstrecken schien.
Er schaltete sein Funkgerät ein.
„Kärsgäm", rief er. „Hörst du mich?"
Eintöniges Rauschen antwortete ihm. Der Veteran meldete sich nicht. Er war die letzte Hoffnung des Berufenen. Nur mit Hilfe Kärsgäms konnte er den Weg zur Schleuse finden.
Doch Plondfair sollte nicht erleben, wie der Alte sich entschied. Er erfuhr nicht, ob Kärsgäm wirklich in der Lage war, den Energieschirm mit einem Funkbefehl abzuschalten. Kärsgäm schwieg sich aus. Vielleicht hörte er ihn auch nicht.
Plondfair glaubte, eine Hand an seinem Hals zu fühlen, als er begriff, daß er sich in der Wildnis von Väl-gerspäre hoffnungslos verirrt hatte. Er war völlig auf sich allein gestellt.
Er war wie gelähmt. Tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Erinnerungen kamen in ihm auf, die ihn nur noch mehr verwirrten. Für mehr als eine Stunde verharrte er auf der Stelle.
Immer wieder war er versucht, den Energieschirm abzuschalten und damit ein schnelles Ende herbeizuführen.
Dann aber raffte er sich auf.
Er entschloß sich zu Erkundungsvorstößen in allen vier Richtungen. Irgendwann, so meinte er, mußte er dabei auf etwas Bekanntes stoßen. Er versuchte gar nicht erst, sich vorzustellen, wie weit er von dem Energieschirm von Kermershäm entfernt war. Er wußte, daß ihn nur noch ein Zufall retten konnte, und er redete sich ein, daß dieser Zufall eintreten würde.
Zwei Stunden lang suchte er in den verschiedenen Richtungen, wobei er die Orientierung mehr und mehr verlor. Trotz größter Sorgfalt gelang es ihm nicht, an den Ausgangspunkt seiner Suche zurückzukehren, weil die Landschaft sich von Minute zu Minute veränderte.
Schließlich sah er ein, daß alle Mühen vergeblich waren.
Morgdahn hatte gewußt, was er tat.
Der Wächter hatte ihn zum Tode verurteilt und dann allein gelassen. Niemand kannte sich in der Hölle von Välgerspäre so gut aus wie er. Daher kam Plondfair zu der Einsicht, daß es sinnlos war, sich gegen das Unabwendbare zu stemmen.
Seine Hand legte sich um den Hebel, mit dem er das Energiefeld abschalten konnte. Er schloß die Augen.
Sich selbst zu töten, kostete ihn eine ungeheure Überwindung. Er fürchtete sich nicht vor dem Tod, doch stellten sich ihm erhebliche moralische Bedenken entgegen. Ein Lufke durfte keinen Selbstmord begehen. Eine solche Tat widersprach seinem ganzen Wesen und seiner Mentalität.
Doch jetzt erschien seine Lage so aussichtslos, daß es nur noch eine Frage von Stunden war, wann der Tod eintrat.
Plondfair blickte auf die Instru-mentenanzeigen und stellte fest, daß er noch Sauerstoff für drei Stunden und vier Minuten hatte.
Ein bitteres Lächeln spielte um seine Lippen.
Angesichts der unendlichen Weite, in der er sich befand, konnte er nicht mehr an eine Überlebenschance glauben. Die Schleuse zur Konditio-nierten Zone konnte Tausende von Kilometern entfernt sein. Vielleicht konnte er sie selbst dann noch nicht einmal erreichen, wenn er wußte, in welche Richtung er fliegen sollte, weil er zu weit abgetrieben worden war.
Er dachte an die Station, die er suchte, und das Lächeln der Resignation vertiefte sich.
Es war ein geradezu irrwitziger Gedanke gewesen, Morgdahn zu folgen. Da er wissenschaftlich genügend geschult war, hätte er wissen müssen, was ihn außerhalb der Konditionierten Zone erwartete. Er war jedoch in die tobende Wirklichkeit hinausgelaufen, ohne sich wirklich
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