0875 - Medusas Tochter
Asten bedeckt, die eine lockere Schicht bildeten.
Josh stellte die Hacke ab. Den Stiel lehnte er gegen einen helleren Birkenstamm. Dann bückte er sich und schleuderte das Geäst mit beiden Händen weg.
Wer es nicht genau wußte, hätte Mühe gehabt, die auf dem Boden liegende Gestalt zu entdecken.
Sie hob sich nur schwach vom Untergrund ab, zeigte aber den Umriß eines Menschen.
Da lag Freddy!
Der Vater wollte jetzt nicht weinen, aber es fiel ihm verdammt schwer, die Tränen zu unterdrücken.
Die Lage des Toten war noch nicht günstig für ihn. Er mußte ihn mehr zu sich heranziehen. Dann bekam er den nötigen Platz, um mit der Hacke ausholen zu können.
Parker bückte sich. Seine kräftigen Hände umklammerten die Fußknöchel des Toten. Zischend holte er Luft. Sein Körper spannte sich. Er mußte Kraft aufwenden, um den Toten zu sich heranzuzerren, sehr viel Kraft sogar.
Schließlich hatte er es geschafft!
Parker richtete sich auf und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Er konnte noch nicht sofort weitermachen, er brauchte eine kleine Pause. Sein Atem ging schwer, und so konnte er sich nicht auf andere Geräusche konzentrieren. Inzwischen war es ihm auch egal, ob er verfolgt wurde oder nicht.
In der rechten Tasche seiner Lederjacke steckte die Lampe. Parker holte sie hervor und stellte den Strahl so breit wie möglich ein, indem er an dem achteckigen Auge drehte. Dann senkte er den rechten Arm. Mit dem Daumen schob er den geriffelten kleinen Schalter nach vorn.
Der armbreite Lichtstrahl schoß hervor. Er traf die Gestalt auf dem Boden. Mitten auf der nackten Brust hinterließ er einen Kreis, der sehr deutlich eine graue, starre Fläche zeigte. Dann wanderte er höher, dem Gesicht zu, in dem sich ebenfalls nichts regte, das aber trotzdem anders war als das eines normalen Toten.
Freddy war auch nicht normal tot.
Er war versteinert!
***
Freddy war zu Stein geworden, und er lag da wie ein Denkmal. Sein Vater konnte es noch immer nicht fassen, es wollte nicht in seinen Kopf. Das war doch nicht möglich! Josh fand keine Erklärung dafür, aber er mußte es akzeptieren, denn Freddy war nicht der erste versteinerte Tote. Josh Parker wußte nicht, was mit den anderen Leichen geschehen war, er aber wollte es tun. Es war ein Trieb, der ihm befahl, die Leiche - oder war es keine - zu zerhacken.
Er stand da, schluckte und zitterte, was sich auch auf seinen rechten Arm übertrug, denn der Lichtkegel wanderte zitternd über das versteinerte Gesicht und verlieh diesem durch seine Bewegungen so etwas wie ein böses Leben.
Da schienen sich sogar die Augen zu bewegen, die sich während des Vorgangs der Versteinerung verändert hatten. Irgendwie Kraft hatte die Augäpfel nach vorn gedrückt, deshalb sah das Gesicht der versteinerten Leiche so schrecklich aus.
Keiner wußte, wie es geschehen konnte, weshalb Menschen oder Tote zu Stein wurden. Es gab keinen Hinweis, es gab keine Spuren, aber die Opfer waren stets Aussteller auf Jahrmärkten gewesen, und der Killer machte keine Unterschiede. Er tötete Chefs und Hilfskräfte.
Es war Josh zu dunkel für seine Tat. Er brauchte das Licht der Lampe, reckte sich und klemmte die Leuchte schräg zwischen zwei Zweige eines nahestehenden Baumes. So leuchtete der Strahl schräg in die Tiefe und erwischte die Körpermitte.
Parker hob die Hacke auf. Plötzlich wurde auch sein Gesicht zu Stein. Kein Muskel bewegte sich darin, als er die Spitzhacke mit beiden Händen anhob, sie über seinen Kopf wuchtete, Schwung holte, um anschließend kräftig zuzuschlagen.
Parker wollte nicht darüber nachdenken, auf wen er hier eindrosch. Er sah das Blitzen des Stahls im Licht, und als er seinen Sohn traf, da war ihm, als hätte er sich selbst in die Brust getroffen, die von einem Treffer zerrissen worden war.
Er hörte den hellen und dennoch dumpfen Ton des Aufpralls, das Knirschen und Brechen, hielt die Augen geschlossen, holte wieder aus, schlug zum zweitenmal zu, tat es auch ein drittes Mal und öffnete die Augen erst dann wieder.
Die versteinerte Gestalt hatte Risse bekommen. Einer war besonders tief. Er hatte einen Spalt waagerecht in die Brust gegraben, und Josh Parker konnte hineinblicken.
Er sah Stein.
Keine Haut mehr, kein Fleisch, keine Adern, nur diesen verdammten Stein und den Staub.
Er mußte weinen, als er sich bückte und wieder in das Gesicht seines »Sohnes« schaute. Er wußte nicht, ob er mit der Hacke dort hineinschlagen konnte, auf der
Weitere Kostenlose Bücher