0875 - Medusas Tochter
Bewegungen auf den feuchten Boden.
Jane Collins wandte sich ab. Sie wollte diesen Menschen beim Abschied nicht stören. Die Detektivin ging dorthin, wo das Gelände nicht mehr so dicht bewachsen war. Sie schaute nach vorn in die Richtung, wo auch der Jahrmarkt lag.
Die Dunkelheit verhüllte ihn, aber Jane wußte, daß dort irgendwo ein unheimlicher Killer zugeschlagen hatte, der es schaffte, Menschen zu Stein werden zu lassen.
Wie viele Menschen ihm schon in die Hände gefallen waren, konnte niemand so genau sagen. Aber passiert war es stets auf einem Rummelplatz. Deshalb mußte Jane davon ausgehen, daß sie den Täter in diesem Milieu fand. Natürlich bauten sich die Fragen wie eine gewaltige Wand auf. Es war auch schwer für Jane, entsprechende Antworten zu finden, denn sie bewegte sich auf dem Eis des Phantastischen.
Erklärungen gab es schon. Nur würde sie niemand so recht ernst nehmen, denn wer dachte schon an die alte griechische Sage der Medusa?
Wer sie ansieht, wird zu Stein!
So stand es als Warnung geschrieben. Und das Schlangenhaupt der Medusa war durch die Jahrhunderte gegeistert als Sinnbild für eben eine Versteinerung.
Gab es die Medusa wieder?
Die Leichen wiesen darauf hin. Da konnte möglicherweise eine uralte Legende zu einer fürchterlichen Wahrheit geworden sein. Die Polizei würde sicherlich abwinken, aber es gab jemand, der dies nicht tat, und ihn hatte Jane durch Lady Sarah informiert.
John Sinclair arbeitete ebenfalls an diesem Fall. Jane wartete darauf, daß sie sich irgendwann trafen.
Zunächst einmal drehte sie sich um, weil sie die Tritte des Mannes gehört hatte. Der Schausteller blieb neben ihr stehen. Er nickte und hielt die Lippen dabei fest zusammengepreßt. Dann sagte er leise und sehr traurig: »Ich habe von meinem Sohn Abschied genommen, Miß Collins, und ich wüßte nicht, was mich in dieser Gegend noch halten sollte.«
»Wollen Sie weg?«
»Ja, am liebsten sofort. Mitten in der Nacht. Einfach abhauen, nichts mehr sehen.«
»Schön, das verstehe ich. Und dann?«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie werden ihre Losbude an einem anderen Ort aufbauen müssen. Denn davon leben Sie. Doch Sie werden auch an einem anderen Standort immer wieder an das Schicksal Ihres toten Sohnes denken müssen.«
»In diesem Winter ist nichts mehr. Ich gehe auch nicht in die Hallen zu den Weihnachtsmärkten. Ich will nicht mehr erinnert werden. Ich möchte es nicht.«
»Es wird Sie aber einholen.«
Er hustete und fragte: »Was schlagen Sie denn vor?«
»Bleiben Sie, Mr. Parker.«
»Wie? Auf dem Platz?«
»Genau.«
»Nein, die Kirmes dauert noch bis zum nächsten Sonntag. Das sind immerhin vier Tage.«
»Das weiß ich auch. Wenn Sie nichts dagegen haben, könnte ich mich in Ihrer Nähe aufhalten.«
»Meinen Sie?«
»Ja.«
»Und Sie haben keine Furcht, daß dieser Killer Sie finden und ebenfalls versteinern könnte?«
»Angst habe ich schon, Mr. Parker, doch so schnell laufe ich nicht vor einer Gefahr davon. Außerdem möchte ich ihn stellen…«
»Falls er noch hier in der Gegend umherirrt.«
»Da haben Sie recht.«
»Bisher sind die Taten an verschiedenen Orten geschehen. Er… er… hat ja die Jahrmärkte auf dem Land abgegrast, und davon gibt es viele.«
»Ich kann nicht widersprechen. Nur eines hat mich mißtrauisch und zugleich nachdenklich gemacht.«
»Was denn?«
»Die Taten sind nie schnell hintereinander geschehen. Es lagen immer wieder eine Woche oder zehn Tage Pause dazwischen. Daraus folgere ich, daß der Täter zum Schausteller-Milieu gehört und erst dann wieder mordet, wenn er sich einen neuen Standplatz gesucht hat. In einem anderen Ort, auf einem anderen Platz.«
Josh Parker atmete laut aus. »Sie werden es nicht für möglich halten, aber darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
»Das brauchen Sie auch nicht.«
Parker schlug gegen seine Stirn. »Wenn ich mir vorstelle, daß sich der Mörder meines Sohnes in meiner unmittelbaren Umgebung aufhält, dann… dann drehe ich fast durch.«
»Das wird sich alles klären, Mr. Parker, glauben Sie mir.« Jane lächelte. »Und jetzt lassen Sie uns gehen. Ich bleibe bei meinem Vorschlag, daß ich die nächsten Tage gern auf dem Rummel verbringen möchte.«
»Dagegen habe ich nichts. Sie können auch bei mir wohnen. In allen Ehren selbstverständlich.«
»Danke. Ich kenne ja Ihren Wagen. Er ist geräumig und groß genug für zwei Personen.«
»Auch für vier«, murmelte Parker.
Er schaute noch einmal
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