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0875 - Medusas Tochter

0875 - Medusas Tochter

Titel: 0875 - Medusas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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kleine Wagen kippte nach vorn weg.
    So stark, daß ich mich unwillkürlich am Haltegriff festklammerte. Ich hatte für einen Moment das Gefühl, in einen tiefen, endlos erscheinenden Schacht zu fallen, denn es gab kein Licht auf dem Weg nach unten. Der Fall wurde abgebremst, die Fahrt in die Dunkelheit ging nicht zu schnell, schließlich saß ich nicht in einer Achterbahn. Ich rollte langsam in die Tiefe, es war alles okay, aber mich irritierte die Geräuschkulisse in der Finsternis.
    Monstren oder irgendwelche andere schreckliche Gestalten kriegte ich nicht zu Gesicht, dafür war ich umtost von Schreien, die meine Ohren malträtierten.
    Es waren Laute, die störten, die Angst einflößten. Schrille Laute jammernde und flehende, ein akustischer Wasserfluß, der nicht zu stoppen war.
    Ich glitt hinein, fuhr tiefer, tauchte in den abwärts führenden, lichtlosen, von Schreien erfüllten Tunnel. Es war die schlimmste Strecke der Geisterbahn, gewissermaßen das Finale, in dem die Besucher noch einmal aufgeputscht wurden.
    Es ging auch nicht schnell. Immer wieder bremste der Wagen ab, und ich wurde jedesmal durchgeschüttelt.
    Die Schreie blieben, die Dunkelheit zunächst auch, aber ich sah vor mir den Grauschleier.
    Licht, vergleichbar mit Nebel, zumindest war es nicht klar. Sehr grau, trotzdem schimmernd, und plötzlich zog sich der Nebel auch wieder zurück.
    Das Licht blieb.
    Ich fuhr darauf zu - und sah, wie von der rechten Seite her sich eine Gestalt aus der dort lauernden Dunkelheit in das graue Licht hineinschob. Eine Frau, auf deren Kopf sich etwas bewegte.
    Die Medusa!
    Wer sie anschaut, wird zu Stein! Das schoß mir wahnsinnig schnell durch den Kopf, und ich schloß rasch die Augen…
    ***
    Jane Collins hatte einen trockenen Hals bekommen. Sie sah diesen Valendy nicht, aber sie wußte, daß sie in einer Falle steckte, was er ihr auch mit einer triumphierend klingenden Stimme erklärte.
    »Mein Kabinett ist geschlossen, Miß Collins. Wir sind jetzt allein, denn die letzten Besucher haben soeben den Ausgang erreicht. Wir sind jetzt die einzigen - noch, aber ich versichere Ihnen, daß sie bald hier erscheinen wird.«
    Er hatte den Namen nicht ausgesprochen, doch Jane wußte, wer gemeint gewesen war.
    Es gab nur eine Möglichkeit.
    Medusa!
    Die Frau mit den Schlangenhaaren, bei deren Anblick Menschen versteinerten.
    Auch die Living Dolls?
    Jane Collins schaute gegen den Zauberer, dem sie die Hand zerdrückt hatte. Er blutete nicht, er schrie nicht, er hatte es einfach hingenommen, und Jane mußte davon ausgehen, daß mit den anderen Figuren das gleiche passieren würde.
    Wer waren sie?
    Waren es Menschen, waren es Figuren, oder waren sie etwa halb Mensch und halb Figur?
    Die Antwort würde sie sich selbst kaum geben können, das mußte sie einfach Valendy überlassen.
    Der dachte nicht daran, sie zu fragen. Geschützt durch die Dunkelheit blieb er im Hintergrund und wunderte sich nur über Janes Schweigsamkeit.
    »Warum sagen Sie nichts?«
    »Ich bin überrascht!«
    Valendy lachte im Dunkeln. Es hörte sich an, als würde dort ein Geist stehen. »Das kann ich mir denken, die meisten sind überrascht. Mich aber hat es geärgert, daß sie einen meiner Lieblinge zerstört haben. Das fand ich gar nicht so gut.«
    »Wer ist er?«
    »Raten Sie!«
    »Ein Mensch?«
    »Auch.«
    »Eine Figur.«
    »Ebenfalls.«
    »Also beides.«
    »Ja, Miß Collins, ja. Sie haben es wunderbar erraten. Sie sind ein Phänomen, sie sind beides. Sie schweben auf der Kippe. Sie wissen nicht, wie sie sich entscheiden sollen. So existieren sie eben als Mensch und als Figur.«
    »Kein Blut - nicht wahr?«
    »Richtig.«
    »Auch keine Knochen, kein Fleisch, keine Muskeln, keine Sehnen, was immer zu einem Körper gehört.«
    »Es ist alles vorhanden«, erklärte Valendy. »Nur eben in einer anderen Form. Aus der Physik sollten Sie wissen, daß nichts verlorengeht. Man bringt gewisse Materie nur in einen anderen Zustand, und das wiederum ist mir gelungen.«
    Jane schüttelte den Kopf. »Ihnen oder einer anderen Person?«
    Er lachte wieder. »Gut, sehr gut. Wen meinen Sie?«
    »Das wissen Sie schon. Medusa, die Person mit dem Schlangenhaupt, eine der Gorgonen-Schwestern.«
    »Ho!« lobte er aus dem Dunkel hervor. »Sie kennen die griechische Mythologie?«
    »Kaum, Mr. Valendy, aber für Sie reicht es aus, denke ich mal.«
    »Sehr schön.«
    »Wo ist sie?« fragte Jane. Sie war direkt geworden. Sie wollte es jetzt endlich wissen. Viel zu lange hatte sie

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