0875 - Medusas Tochter
den langen Winter verbringen werde. Mein Findelkind, meine Freunde und ich werden uns dort wohl fühlen. Die Serie der Taten wird abreißen, aber im nächsten Jahr wird sie wieder beginnen, das kann ich Ihnen versprechen, und Sie werden das Vergnügen haben, dabeizusein. Ist das nicht etwas Außergewöhnliches?«
Das mochte in Valendys Sinne so sein. Jane sah es anders. Das Gespräch hatte ziemlich lange gedauert, aber die gesamte Zeit über war Victor Valendy in der Dunkelheit geblieben. Nicht einen Finger hatte Jane von ihm sehen können. Sie dachte an ihre Waffe und fragte sich, ob es Sinn hatte, wenn sie die Pistole zog und dorthin schoß, wo sie den Mann vermutete.
Nein, es wäre dumm gewesen.
Sie stand im Licht, nicht er. Jane konnte sich auch vorstellen, daß Victor Valendy bewaffnet war und eine falsche Bewegung entsprechend beantworten konnte.
Noch war Vera nicht da. Solange sie dieses Wesen nicht anschauen mußte, hatte sie noch eine Chance.
Dabei fühlte sich Jane selbst beinahe wie eine Steinfigur. Ihr war kalt geworden.
Valendy aber lachte. »Ich merke, wie Sie überlegen, Jane. In Ihrem Kopf überschlagen sich die Gedanken, das kann ich verstehen. Ich will Sie auch nicht länger mit meinen Worten quälen, ich werde Sie jetzt allein lassen, denn ich ziehe mich zurück. Gesellschaft haben Sie. Meine Freunde sind da, und Vera wird ebenfalls bald erscheinen. Lassen Sie sich noch eines sagen, Jane. Sie haben sich nicht gerade gut eingeführt. Sie haben dem Zauberer etwas genommen, und ich will Sie noch einmal daran erinnern, daß die Living Dolls nicht nur Figuren sind. Sie sind von beidem etwas. Manchmal können Sie auch hassen. Viel Spaß, Jane…«
Es waren seine letzten Worte. Jane rief zwar noch etwas hinter ihm her, aber er hörte nicht. Es war innerhalb der Dunkelheit verschwunden, und dann hörte Jane, wie eine Tür mit lautem Knall ins Schloß fiel. So laut, als wäre ein Schuß gefallen.
Danach war Ruhe.
Eine Stille, die ihr nicht gefiel. Sie dachte noch einmal über die Erklärungen des Mannes nach, und wieder wurde ihr klar, daß die Geschichten nicht nur Lügen waren. Ein Körnchen Wahrheit steckte immer dahinter, Jane hatte es erleben müssen.
Noch war Medusas Tochter nicht zu sehen. Dafür standen die Living Dolls vor ihr.
Halb Mensch, halb versteinert. Opfer einer teuflischen Magie und sicherlich darauf bedacht, sich an einem normalen Menschen zu rächen. Jane trat einige Schritte zur Seite. In der Mitte zwischen zwei Lichtinseln, wo es dunkel war, blieb sie stehen. Es war ein guter Platz, sie hatte alles im Blick.
Als die Besucher das Kabinett betreten hatten, da hatten sich die Gestalten nicht bewegt.
Das änderte sich.
Es verging nicht mal eine Minute, als sie das Versprechen ihres Meisters in die Tat umzusetzen begannen. Sie bewegten sich gemeinsam, und sie drehten sich so, daß sie Jane Collins anschauen konnten.
Die Detektivin wußte, daß es jetzt um ihr Leben ging!
***
Sie war da - die echte!
Und ich rollte auf sie zu, wobei ich die Augen geschlossen hielt, um nicht zu Stein zu werden!
Hatte ich sie zu spät geschlossen?
Spürte ich bereits die Veränderung in meinem Körper? Es konnte auch an der Einbildung liegen, daß ich mich so starr fühlte. Ich kam mir zudem verdammt hilflos vor. Eine Fahrt mit geschlossenen Augen auf ein Ziel zu, das ich nicht ansehen konnte! Sie hielt alle Vorteile in der Hand. Sie würde mich töten, ohne daß ich mich dagegen wehren konnte, weil ich sie nicht ansehen durfte.
Die Fahrt ging weiter.
Langsam, aber trotzdem schnell, zu schnell für mich. Meine Gedanken jagten sich. Ich hätte mir ein Schwert gewünscht, aber ich besaß nur die Beretta und das Kreuz.
Beides richtete nichts gegen sie aus. Wie sollte es enden?
Ich dachte an den Spiegel. Es war nur ein Rasierspiegel, in diesem Fall aber meine letzte Hoffnung.
Zudem war es dort, wo sich die Medusa aufhielt, hell, da würde ich sie dann in der Spiegelfläche sehen können, aber das Schwert, mit der ich ihr den Kopf abschlagen konnte, das gab es nur in meinem Traum.
Für mich war es am schlimmsten, daß ich aus eigener Kraft die Fahrt nicht beenden konnte. Ich befand mich in der Hand einer für mich jetzt lebensbedrohenden Technik und wußte, daß das Ziel in wenigen Sekunden erreicht sein würde.
Der Spiegel glitt zwischen meine Finger. Die Hand war feucht durch den Schweiß. Ich stand innerlich unter Druck, aber ich würde es schaffen, ich mußte es schaffen, ich machte
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