0876 - Der Dämon von Nigeria
der Gott des Donners! Er ist mit dem, was Ekeke in seinem Namen anstellt, nicht einverstanden und benutzt uns, um ihm entgegenzutreten!«
Zamorra machte sich keine langen Gedanken darüber, warum er Awale so klar verstehen konnte, obgleich dieser seine Worte sicher in einem historischen Dialekt der-Yoruba-Sprache formulierte. Aber die Behauptung des Mannes reizte ihn zum Widerspruch.
»Wenn er ein Gott ist, warum zerstört er dann Ekeke nicht ohne fremde Hilfe? Motiviert genug scheint er ja zu sein!«
Awale schien ihm die Frage nicht übel zu nehmen.
»Shango ist ein dualistischer Gott, der Böses wie Gutes in sich vereint. Seine Macht ist daher neutraler Natur und kann für beides eingesetzt werden. Ekeke beruft sich auf ihn, vertritt aber nur die dunkle Seite und manipuliert sie für Ziele, die der Gott nicht gutheißen kann. Doch dies bindet Shango gleichzeitig, denn Ekekes Verbindung zu seinem magischen Potential führt dazu, dass Shango Werkzeug wie Handelnder zugleich ist. Er muss einen Umweg gehen - den Umweg über uns -, um seine Ziele zu erreichen.«
Awale hatte sich sicher nicht aus sich selbst heraus so gewählt ausgedrückt. Wer auch immer dafür verantwortlich war, dass die beiden Männer einander verstanden, er schien auch dafür zu sorgen, dass alles, worüber sie redeten, verständlich übertragen wurde und nicht nur direkt übersetzt.
»Ich bin gefesselt«, informierte Zamorra Awale unnötigerweise. Wahrscheinlich wusste der Offizier genauso gut über seine Situation Bescheid wie er über die Awales. Der Zeitstrom schien für einige Augenblicke, die Dauer ihres Gespräches, unterbrochen zu sein, denn alle wirkten wie gelähmt, auch Ekeke. Nur die beiden Männer spürten den Verlauf von Zeit, gemessen am Fortgang ihrer Konversation. »Was kann ich tun?«
»Du verfügst über eine Quelle magischer Kraft«, stellte Awale fest. Damit war zweifelsohne Merlins Stern gemeint. »Ich verfüge über erfahrene Kämpfer, die Gunst der Stunde und die Macht meiner Waffen. Wenn wir beides vereinen, kann ich Ekeke in meiner Zeit daran hindern, seinen Teil der Beschwörung zu vollenden, damit der Ekeke in deiner Zeit in seinen Zielen scheitert. Das ist Shangos Wille.«
Zamorra fragte sich nicht, woher Awale die Gewissheit nahm, die Absichten seines Gottes so genau zu kennen. Es war auch nicht weiter wichtig, denn das Ziel, das der Offizier da formuliert hatte, war in jedem Falle des Professors Wille, und sei es nur, um das sinnlose Opferritual zu verhindern, das sich in seiner Zeit abzuspielen drohte.
»Ekeke schützt sich durch allerlei Amulette und Zauber. Ich benötige mehr als meine Kraft, um zu ihm vordringen zu können. Ich benötige selbst Magie, bin aber des Ju-Ju nicht mächtig«, fuhr Awale fort. »Du musst mir helfen, Zamorra!«
»Ich bin auch kein Magier«, wandte der Professor ein.
»Betrachte mich!«
Zamorra richtete seinen Blick auf den Eso. Er war ein muskulöser Mann, mit zahlreichen, gut verheilten Narben auf seinem Körper. Dieser war bedeckt durch eine Art Hemd aus Metallplatten, das die Arme nackt ließ. An den Beinen trug er eine kurze Hose. An einem Gürtel baumelten unidentifizierbare Beutelchen und auf seiner Haut schimmerten weißliche Tätowierungen. Zamorra konzentrierte sich auf Merlins Stern , und plötzlich glühten die Beutel wie auch die Zeichnungen auf Awales Haut in einem goldenen Glanz. Awale mochte kein Zauberer sein, aber die Ju-Ju- Männer seines Königs hatten ihren Offizier mit allerlei magischen Schutzmechanismen ausgestattet. Manche davon waren krude und weitgehend wirkungslos, mochten als Placebo zur Motivation ihrer Träger gelten. Andere aber…
»Schicke mir die magische Energie deines Amuletts«, forderte Awale Zamorra auf. »Stärke meine Amulette und Fetische! Die positive Kraft, die dir zu Gebote steht, ist Ekeke fremd. Niemand hier kennt sie, denn alles, was in meinem Land beschworen wird, wird gespeist aus der einzigen Quelle, die uns vertraut ist: Shango. Doch der Gott ist gebunden, also musst du eingreifen!«
»Ich weiß nicht, was das für deine Zauber bedeuten könnte«, warnte ihn Zamorra. »Ich will dir nicht schaden!«
Awale warf einen Blick um sich, dann wies er auf den Opfertisch.
»Hier liegen drei kleine Kinder in meiner Zeit - und ich sehe drei weitere in der deinen. Für mich sind alle sechs die Zukunft, drei die unmittelbare, drei die fernere. Ich bin bereit, jedes Risiko einzugehen, um Ekeke von seinem entsetzlichen Tun abzuhalten.
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