0876 - Die Welt des LARD
der Tür zum Wohnraum stand Raylto.
„Was starrst du?" fragte das formlose Geschöpf.
„Wer räumt die Abfälle beiseite?" wollte Tarmair wissen. „Etwa du?"
„Das ist lächerlich", antwortete der Asogene. „Warum fragst du? Ist etwa Abfall übriggeblieben?"
„Nein, er ist weg!"
„Na also - alles ist in Ordnung!"
Tarmair empfand anders darüber. Aber es erschien ihm sinnlos, sich mit Raylto in eine Diskussion einzulassen. Er betätigte den Mechanismus, der den Deckel auf den Rand der Tonne zurückkippen ließ, und trat aus dem Haus. Die Sonne schien hell und warm, wie sie es immer tat. Auf den Straßen waren Menschen zu Fuß und in Fahrzeugen unterwegs und gingen ihren üblichen Tätigkeiten nach. In den Gärten arbeiteten die, die Pflanzenzucht zu ihrem Beruf gemacht hatten, und in den Parks, auf den freien Plätzen waren diejenigen am Werk, deren Beruf sich darin erschöpfte, neue Spiele für die Betätigung im Freien zu erfinden. 'Tarmair tauschte freundliche Grüße mit allen, denen er begegnete. Aber heute war er irgendwie nicht mit dem Herzen bei der Sache. Selbst der Anblick junger Frauen ließ ihn heute völlig kalt.
Ich muß die Sache mit Cainstor hinter mich bringen, dachte der Spötter, sonst werde ich noch verrückt.
Um Cainstors Haus blühten die gelben Büsche wie üblich, und die Insekten gingen summend ihrem Tagewerk nach. Die Eingangstür des Hauses stand offen. Tarmair rief Cainstors Namen. Ein paar Augenblicke später erschien der Alte unter der Tür.
„Ich habe dich erwartet, Tarmair", sagte er lächelnd. „Du mußt Wichtiges auf der Zunge haben, da du es vorzogst, mir gestern im Rededom nicht zu widersprechen. Tritt ein und sei mein Gast!"
Cainstors Wohnraum war mit eigentümlichem, aber behaglichem Mobiliar eingerichtet. Der Alte bot Tarmair einen Trunk an, aber Tarmair lehnte ab.
„Ich bin nicht als dein Gast gekommen", sagte er. „Ich bin hier, um dich zu warnen."
„Das dachte ich mir", bemerkte Cainstor. „Wovor?"
„Das fragst du noch? Die wirren Reden, die du in der Öffentlichkeit fuhrst, rufen unter den Leuten Unruhe hervor. Die obersten Gesetze dieses Landes aber sind die Ruhe und die Zufriedenheit. Das LARD wird dich seinen Unmut fühlen lassen, wenn du die Ruhe nicht sofort wiederherstellst."
„Wie kann die Wahrheit Unruhe erzeugen?" fragte der Alte.
„Wenn du deine Lugengespinste als Wahrheit ausgibst, dann bist du womöglich nicht mehr richtig im Kopf", erklärte Tarmair. Er fand es ungewöhnlich schwierig, im Gespräch mit Cainstor die kühle Ruhe zu bewahren, die das wichtigste Werkzeug seines Berufs war. Das mochte damit zu tun haben, daß der Alte selbst sich nicht im geringsten beeindruckt zeigte und selbst zu Tarmairs groben Anschuldigungen noch immer lächelte. Tarmair fügte hinzu: „Es ist möglich, daß das mächtige LARD diesen Umstand als mildernd in Betracht zieht. Aber selbst dann ist noch erforderlich ..."
„Was ist eigentlich das LARD?" fiel ihm Cainstor ins Wort.
Die Frage verschlug Tarmair den Atem. Er rang eine Zeitlang mit sich selbst, bevor er seine Fassung wiederfand.
„Nur ein Narr kann so fragen", erklärte Tarmair schließlich, als er sich einigermaßen wieder in der Gewalt hatte. „Das LARD ist die Macht, die über uns alle herrscht, dir für unser Wohlergehen sorgt und der wir Untertan sind."
„Schön", erkannte Cainstor an. „Aber wie sieht das LARD aus?"
„Das weiß niemand", gab Tarmair zu. „Um die Funktion des LARD zu verstehen, ist es unwesentlich, zu wissen, wie es aussieht."
„Hast du dich nicht manchmal schon danach gefragt?" beharrte Cainstor trotzdem und zwinkerte dabei mit dem rechten Auge.
Tarmairs Gesicht war abweisend. Der Alte erkannte, daß er zur Sache kommen mußte. Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht. Aber als er zu sprechen begann, tat er es nicht etwa mit Bitterkeit in der Stimme, sondern ruhig und ein wenig beschwörend.
„Ich möchte, daß du weißt, daß ich mir von allem Anfang an darüber im klaren war, wie sehr ich deinen Unwillen - und den des LARD - mit meinen Äußerungen erregen würde. Ich mußte dennoch sagen, was mir auf der Seele brannte. Denn was ich zu sagen hatte, war wahr, und die Wahrheit geht selbst über das Gebot der Ruhe und der Zufriedenheit."
Er sah, daß Tarmair ihm widersprechen wollte, und winkte ihm zu, zu schweigen.
„Du hast mich, seit unsere Unterhaltung begann, einmal einen Verruckten und ein andermal einen Narren genannt. Du kennst mich seit
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