088 - Die Sumpfhexe
Eckzähne, Dolchen gleich.
Buster riß das Gewehr von der Schulter. Er zitterte so, daß der Lauf wackelte.
„Kei … keinen Schritt weiter, sonst ist es dein letzter!“ rief er und bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu verleihen.
Unbeirrt kam der bleiche Mann mit den seltsamen Augen näher. Buster drückte ab, als die Gewehrmündung fast die Brust des anderen berührte. Das Mündungsfeuer sengte den schwarzen Umhang. Die Kugel schlug in die Brust des Unheimlichen, genau in Höhe der Herzgegend.
Der Schwarzgekleidete zuckte kurz zusammen, zeigte aber keine weitere Reaktion. Er entriß Buster das Gewehr und schleuderte es in den Sumpf hinaus. Die Vampirzähne näherten sich Busters Halsschlagader.
Mit einem irren Schrei stieß Buster den Unheimlichen zurück und rannte in den Sumpf hinein, den Weg zurück, den er gekommen war. Der Mann folgte Buster immer im gleichen Abstand. Buster konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
In panischem Entsetzen wollte er nur weg von dem Ungeheuer. Er rannte, so schnell er konnte, doch der Unheimliche blieb ihm dicht auf den Fersen.
Voller Angst raste Buster weiter. Er sah über die Schulter zurück. Mittlerweile war der Vollmond aufgegangen. Sein bleiches Licht erhellte den Sumpf der Everglades, ließ die Konturen von Bäumen, Büschen und Sumpfgewächsen schwarz wie Scherenschnitte erscheinen. Dunkle Schatten waren überall.
Der unheimliche Fremde war nicht mehr zu sehen. Schon wollte Buster aufatmen, da verdunkelte ein Schatten den Mond. Kreischend umflatterte die riesige Fledermaus den Flüchtigen. Ihre Zähne und Krallen rissen ihm Hautfetzen von den schützend erhobenen Armen und aus dem Gesicht.
Er stolperte weiter, achtete nicht mehr auf den Weg, weil ihn die Fledermaus hart attackierte. Buster geriet von der Markierung ab, und plötzlich fiel er in einen Tümpel. Das brackige Schlammwasser schlug über ihm zusammen. Buster wollte das Ufer erklimmen, aber da stand grausam lächelnd der Fremde mit den glühenden Augen.
Er trat auf die Hände des Mannes. Der Schmerz veranlaßte ihn, die Grasbüschel loszulassen, an denen er sich aus dem Tümpel ziehen wollte. Zwei Frauen traten neben den Unheimlichen. Die eine war uralt und gebeugt, die andere jung und schön.
Doreen Carlyle und ihre Nichte Samantha. Der schwarze Papagei saß auf der Schulter der Sumpfhexe.
„Jetzt kriegst du die Quittung für deine Unverschämtheit, Söhnchen“, kicherte die Alte.
Der Papagei auf ihrer Schulter schlug mit den Flügeln und kreischte wie toll.
„Zu Hilfe!“ schrie Buster. „Um Gottes willen, helft mir doch! Wollt ihr mich hier ersaufen lassen?“
Wieder wollte er sich am steilen, glitschigen Ufer hochziehen, doch der bleiche Mann hinderte ihn daran. Doreen und Samantha wandten sich ab und verschwanden zwischen den Mangrovengewächsen. Buster plätscherte wild in dem Wasser umher, auf dem hell das Mondlicht schimmerte. Doch er konnte nicht heraus. Überall war der Mann mit dem schwarzen Umhang und stieß ihn zurück in die stinkende Moderbrühe. Buster schrie, aber niemand kümmerte sich um seine Schreie und Hilferufe.
Da hörte er schleifende Geräusche von dem Mangrovendickicht her, in dem Doreen und Samantha verschwunden waren. Zwei geschuppte Leiber krochen von dort auf den Tümpel zu. Lange Dolchzähne schimmerten in mörderischen Rachen.
Ein riesiger, uralter Alligator, der etwa sechs Meter maß, und ein kleinerer, jüngerer glitten ins Wasser. Sie schwammen auf Buster zu. Er sah die dreieckigen Linien im mondbeschienen Wasser, die kleinen, plätschernden Wellen, die von den mörderischen Reptilien verursacht wurden. Pfeilgerade stießen sie auf ihn zu.
Schreckgelähmt starrte er den Tieren entgegen. Er sah direkt in die Augen des kleineren, das nur noch wenige Meter von ihm entfernt war.
Es waren keine starren, tückischen Reptilienaugen, sondern grüne, große Augen, wie sie kein Alligator besaß. Eine Erinnerung flammte in Buster auf. Zwei mit mörderischen Dolchzähnen besetzte Rachen klappten hoch.
Buster fühlte, wie sich die spitzen, langen Zähne der Reptilien in sein Fleisch bohrten.
Sein Todesschrei hallte über das Wasser.
Busters Hand reckte sich noch einmal aus dem brackigen Tümpel, der von dem unter der Oberfläche ausgetragenen Kampf brodelte, dann versank auch sie. Am Ufer stand der Fremde im schwarzen Umhang.
Über dem Wasser flatterte der schwarze Papagei der alten Doreen.
Norman Tait starb im Morgengrauen. Die Ärzte
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