0881 - Das Kind der Mumie
davon.
»Wir können ihn nicht halten«, sagte Clayton. »Es ist auch ganz vernünftig von ihm.«
Guy Laroche hob die Augenbrauen. »So etwas gefällt mir gar nicht. Das hört sich an, als wolltest du ebenfalls verschwinden.«
»Kann ich mir das leisten?«
»Du bist ein freier Mensch.«
»Ich weiß. Mitgefangen, mitgehangen.«
Laroche lächelte. »Du machst also weiter?«
»Ja, ich mache weiter.« Francis Clayton nickte heftig. »Aber ich sage dir eins: Das ist die letzte Nacht, die ich vorläufig in der Wüste verbringen werde. Wir werden in die Felsenhalle steigen und versuchen, das Verlies zu finden. Sollten wir es in dieser Nacht nicht schaffen, gibt es für mich keine weitere mehr.«
Guy Laroche nickte einige Male. »Ich weiß ja, was dich quält, aber ich bin froh, daß du auf meiner Seite stehst.« Er deutete auf die starren Leichen. »Wer hat sie getötet? Was glaubst du?«
»Keine Ahnung.«
Laroche runzelte die Stirn. »Hast du mir nicht von deinen Ahnungen oder Gefühlen berichtet, die dich überfallen haben?«
»Ja, und ich habe den Beweis bekommen. Man hält uns unter Kontrolle. Wir haben die Person nicht gesehen, für mich steht allerdings fest, daß sie diese Personen hier getötet hat. Brutal umgebracht, ein Killer in der Nacht.«
»War es ein Mensch?«
Die Frage seines Kollegen hatte Francis Clayton nachdenklich werden lassen. »Wenn ich das wüßte«, murmelte er. »Manchmal möchte ich es selbst nicht glauben, aber…«
»Der Geist eines Toten?«
»Kann er morden?«
Laroche hob die Schultern. »Du weißt, wen wir finden wollen. Er ist der Sohn, er ist das Kind, und er wird uns möglicherweise den Weg zu all den Geheimnissen der Pyramide zeigen können.« Der Franzose ballte die Hände. »Wir sollten jetzt gehen.«
Francis Clayton nickte. Einen letzten Blick gönnte er den Toten und dachte dabei an seine kalte Gänsehaut, die einfach nicht weichen wollte. Ihm war nicht direkt übel, doch der Druck im Magen ließ sich nicht vertreiben.
In der Ferne hörten beide, wie ein Motor gestartet wurde. Menrene floh mit dem kleinen Transporter, auf dessen offener Ladefläche die Helfer einmal gesessen hatten.
Wieder schaute sich Clayton um.
Keine Bewegung war in der Nähe zu sehen, und es war still. Totenstill.
Wenig später waren sie auf dem Weg in die Felsenhalle.
***
Die starken Strahlen der beiden Lampen wanderten durch eine Umgebung, die in ein ungewöhnliches Licht getaucht war. Gegen die niedrige Decke wuchsen mächtige Felsbrocken. Sie schimmerten rötlichgelb auf, wenn das Licht der Lampen darüber hinwegstrich.
Für beide Archäologen stand fest, daß diese unter der Erde liegende Felsenhalle noch vor der Errichtung der Pyramide gebaut worden sein mußte. Einige Kollegen bezweifelten dies, aber Laroche und Clayton waren sich ziemlich sicher. Sie wußten auch, daß diese unterirdische Halle zahlreiche Geheimnisse barg, die darauf warteten, entdeckt zu werden. Von ihnen entdeckt, denn darum allein ging es. Die beiden wollten nicht den anderen den Ruhm überlassen, sie mußten es versuchen, und sie würden in die Geschichte eingehen.
Schatten umgaben sie. Hin und wieder tanzend und vibrierend, wenn das Licht der beiden Lampen für ihre Entstehung sorgte. Die verbrauchte Luft und die Hitze machten ihnen zu schaffen. Kurz nach dem Eintreten waren sie bereits in Schweiß gebadet. Sie wußten, daß es noch schlimmer werden würde, wenn sie einmal den Tunnel erreicht hatten.
Es gab so etwas wie einen Plan, der sich auch in ihren Köpfen befand. Eine Art Wegweiser durch dieses unterirdische Labyrinth, dessen normale Wege oft durch die Felsbrocken versperrt waren. Sie leuchteten in Tunnel oder Stollen hinein und waren jedesmal enttäuscht, wenn der Strahl bereits nach wenigen Metern eine Wand traf und sich die angeblichen Gänge nur als Nischen entpuppten.
Tagelang hätten sie in diesem Labyrinth umherirren können, aber sie gingen einen bestimmten Weg.
Er führte in die Tiefe. Zu der Grabstätte unter der Pyramide.
Normale Menschen hätten den Weg kaum gefunden oder hätten sich auf den Zufall verlassen müssen. Clayton und Laroche sahen zwar aus wie normale Menschen und waren in nichts von ihnen zu unterscheiden, aber sie waren es trotzdem nicht, denn beide zierte das dritte Auge der Psychonauten.
Das hob sie aus der Masse der anderen hervor. Sie gehörten zu dieser elitären Gruppe, die immer wieder versuchte, die Geheimnisse der Welt zu erforschen, die im antiken Dunkel der
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