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0885 - Die Kralle des Jaguars

0885 - Die Kralle des Jaguars

Titel: 0885 - Die Kralle des Jaguars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Nutzung touristischer Möglichkeiten bestand. Um sich in der Sonne zu aalen und den Wellen zuzuschauen, musste man die ganze Stadt nach Nordosten hin durchqueren - ein ganz schöner Marsch, je nach Unterkunft. Und meist war man als Urlauber in den Nachbarorten Omoa und Cienaguita ohnehin besser bedient, zu denen mehrmals am Tag Kleinbusse fuhren. Die einstige Fischersiedlung Omoa bot Touristen und Geschichtsinteressierten mit dem von den Spaniern im achtzehnten Jahrhundert errichteten Fort San Fernando ein lohnenswertes Ausflugsziel. Einzig der zentrale Park strahlte in Puerto Cortés ein wenig Ruhe und Freundlichkeit aus, der Rest des Ortes war von zweckmäßigem Treiben und Effizienz geprägt.
    Während sie am Park entlang durch die Straßen der Hafenstadt zogen, schaute Zamorra immer wieder interessiert zu den Hauseingängen der Gebäude, die sie passierten. Es war fast, als erwarte er, ein Klingelschild mit einem ihm vertrauten Namen zu erblicken.
    »Wen suchst du denn, Chérie?« fragte Nicole, die sich das Tun ihres Gefährten jetzt schon eine ganze Weile kommentarlos angesehen hatte.
    Zamorra lächelte. »Keinen wen, sondern vielmehr ein was. Wir sind in Südamerika, und selbst in einer so offensichtlich an ihrer eigenen Geschichte desinteressierten Stadt wie dieser dürfte es noch aktive Voodoo-Familien geben.«
    »Moment mal, Voodoo?« Fast glaubte Nicole, ihren Ohren nicht zu trauen. »Seit wann geht es uns denn um Voodoo? Ich dachte, wir sind hier hinter etwas her, was den Zustand Montejos oder den von Connor MacArdbeg erklärt.« Mit Grausen erinnerte sich Nicole an die vergangenen Gelegenheiten, zu denen sie es mit dieser afroamerikanischen Religion und ihren Vertretern zu tun gehabt hatte. Zwar stellte sich der eigentliche Voodoo-Kult durchaus ein gutes Stück seriöser und unspektakulärer dar, als es seit Jahrzehnten in Filmen und Romanen behauptet wurde, und war damit weit von seiner Darstellung in der Popkultur entfernt. Dennoch waren Zamorra und sie gelegentlich auf Personen gestoßen, die direkt diesem Klischee entsprungen zu sein schienen - und sich nicht selten als ernst zu nehmende Gegner entpuppt hatten. Eine weitere Voodoo-Eskapade war so ziemlich das Letzte, wonach der jugendlich wirkenden Französin der Sinn stand.
    Aber glücklicherweise war dies ja gar nicht ihr Thema - oder doch?
    »Es geht mir weniger um den Voodoo als solchen, als um den Kontakt zu dieser Subkultur der hiesigen Gesellschaft«, antwortete Zamorra schließlich. »Honduras hat eine reiche und beeindruckende Folklore. Doch schau dich hier nur mal um.« Zamorra breitete die Arme aus, als wolle er auf die ganze Stadt verweisen. »Allzu aktiv wird die in Puerto Cortés nicht gezeigt. Überall nur Alltag, überall Industrie und unspektakuläres Ambiente. Was wir brauchen, ist ein Vertreter des alten Honduras. Ein Mensch, der uns von früher berichten kann, von der Kultur der Mayas und ihren Riten. Die Mayas sind nicht mehr da, aber Voodoo-Gemeinden dürfte es selbst an diesem Ort noch geben. Vielleicht sind sie ein Ansatzpunkt für uns, immerhin kennen sie sich mit örtlichen Riten und Zauberei aus und haben einen Tipp für uns.«
    Abermals streifte sein Blick Hauseingänge und Toreinfahrten. Nicole schüttelte den Kopf. »Und diese Gemeinden hängen dann einfach mal ein Schild an ihre Haustür, damit vorbeistreunende Passanten sie auch finden?«, fragte sie und gab sich nicht einmal Mühe, ihren Zynismus zu kaschieren.
    Zu ihrer Überraschung nickte ihr Partner, dann stahl sich ein breites Grinsen in sein Gesicht. »Im Prinzip ja. Ich hoffe es zumindest. Ein Schild, das wie Eigelb aussieht und nach Gin riecht.«
    Würde sie ihren »Chef« nicht seit Jahrzehnten kennen, hätte Nicole ihm spätestens jetzt empfohlen, sich für die Dauer ihres Südamerika-Besuchs doch besser im Schatten aufzuhalten…
    ***
    Zamorra starrte erschöpft in seinen starken Kaffee.
    Wenn er genauer darüber nachdachte - und er gab sich alle Mühe, es nicht dazu kommen zu lassen dann fühlte er sich machtlos. Er war vollkommen hilflos. Drei Tage waren er und Nicole schon in Puerto Cortés und auf der Suche nach aktiven »Voodoo-Familien«, wie die Gemeinden dieses Kultes genannt wurden. Sie hatten Menschen beobachtet, die ihnen verdächtig vorkamen - ohne Erfolg. Sie hatten mit Straßenhändlern und katholischen Priestern gesprochen - vergeblich. Sie waren in Bibliotheken, im ortsansässigen honduranischen Institut für Anthropologie und Geschichte und

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