0885 - Die Kralle des Jaguars
wieder; jetzt müssen wir herausfinden, was ihm zugestoßen ist und was hier eigentlich gespielt wird.«
»Sie klingen tatendurstig«, stellte Zamorra fest und konnte sich trotz der Tragik dieser Situation ein Schmunzeln nicht verkneifen. Elian nickte entschlossen. »Ich bringe Javier nach Mexiko und sorge dafür, dass er dort gut versorgt wird. Dann kehre ich hierher zurück und helfe Ihnen bei den Ermittlungen. Das bin ich meinem Freund schuldig.«
»Also gut«, sagte Zamorra. »Dann trennen sich hier unsere Wege - fürs Erste. Sie fahren zurück und wir wandeln auf Connors Spuren.«
Sie verabschiedeten sich rasch und versprachen, in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig über weitere Entwicklungen zu informieren. Als die Franzosen schließlich aus dem Krankenhaus traten, blickte Nicole ihren Gefährten besorgt an. »Glaubst du, dass wir das Richtige tun? Dass wir Javier nicht im Stich lassen?«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Um die Überführung nach Mexiko City kümmert sich Elian. Er scheint auf mich einen absolut vertrauenswürdigen Eindruck zu machen. Unser Part ist ein anderer, Nici. Und dazu folgen wir der einzigen Spur, die wir im Moment haben.«
Eine knappe Stunde später saßen sie schon in einem gemieteten Jeep und fuhren in Richtung Atlantikküste.
***
»Früher hat man diesen Ort Pferdehafen genannt«, sagte Nicole und blickte von ihrem Reiseführer auf. »Angeblich wegen Cortés, der beim Versuch, seine Schiffe zu entladen seinerzeit einige seiner Pferde an den Ozean verloren hat.« Trotz des warmen Wetters schauderte ihr bei dem Gedanken an die Ankunft des spanischen Entdeckers, dem der Ort seinen Namen verdankte.
Sie und Zamorra standen auf einer Art Aussichtsplattform und schauten auf den Hafen hinab, der so gar nichts mehr mit dem vom Urwald bedeckten Strand gemein hatte, an dem einst Cortés und seine spanischen Konquistadoren gelandet waren.
Der ganze Ort zeigte sich an diesem Morgen von seiner besten Seite. Die Sonne strahlte von einem wolkenlosen Himmel herab und das Meer brachte kühle Luft herein - es hatte durchaus Vorteile, in einer Stadt zu leben, die sich auf einer in den Atlantik ragenden Halbinsel befand. Obwohl der Tag noch jung war, herrschte auf den Docks schon reges Treiben. Unzählige Schiffe lagen vor Anker, Frachtgut wurde entladen. Hin und wieder drang ein Gesprächsfetzen der Dockarbeiter zu ihnen hinauf, doch das meiste ging im konstanten Lärm der Nutzmaschinen und Fahrzeuge unter. Nicht umsonst galt Puerto Cortés als ein durchaus moderner Hafen.
Doch sie waren ja nicht wegen des Hafens hier in diese Stadt gekommen.
»Steht da auch etwas über die Kultur dieser Gegend?«, fragte Zamorra, während eine plötzliche Windböe sein Haar zerzauste.
»Bestimmt«, erwiderte Nicole und begann zu blättern. »Suchst du nach etwas Speziellem?«
»Leider nach nichts, was in einem Reiseführer inserieren würde«, erwiderte Zamorra und blickte aufs Meer hinaus, das sich in der Sonne glitzernd bis zum Horizont erstreckte.
Schließlich drehte er sich zur Seite und schaute Nicole ins Gesicht. »Was hältst du von einem kleinen Stadtbummel?«, fragte er.
Eine halbe Stunde später schlenderten sie gemeinsam über die la Calle oeste in der Innenstadt. Nicole war überrascht, wie belanglos und provinziell sich die ca. 80.000-Seelen-Siedlung gab: Vom Flair und der Atmosphäre anderer Karibikstädte war in Puerto Cortés wenig zu sehen. Es gab kaum Museen und ähnliche Freizeiteinrichtungen und nur wenige Bauten, die noch auf die Geschichte des Ortes und der Region verwiesen. Vom Mangel an ansprechenden Hotels hatten sie sich bereits bei ihrer Ankunft am gestrigen Abend ein Bild machen können - es war schwierig gewesen, ein Hotel zu finden, das nicht nach einer billigen Absteige aussah und in dem man passabel ein paar Tage wohnen konnte.
Selbst die wenigen Gaststätten, an denen sie vorbeikamen, schienen nicht groß auf touristische Kundschaft aus zu sein. Dennoch wirkte der Ort nicht unfreundlich oder ungastlich; es war vielmehr, als lege er einfach keinen Wert darauf, für Besucher besonders attraktiv zu wirken. Wer trotzdem kam, war gerne willkommen - er durfte nur nicht erwarten, dass sich Puerto Cortés seinetwegen irgendwelche Umstände machte.
Auch einen Badestrand suchte Nicole vergebens. Nicht, dass sie zum Strandurlaub hier waren, aber es war doch bemerkenswert, dass in einer direkt an der Atlantikküste liegenden, sonnenverwöhnten Stadt so wenig Interesse an der
Weitere Kostenlose Bücher