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0885 - Die Kralle des Jaguars

0885 - Die Kralle des Jaguars

Titel: 0885 - Die Kralle des Jaguars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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strich sie über das dunkle, glänzende Fell, wieder und wieder, und störte sich nicht an Raouls Gewicht. Er ließ es sich gefallen, reagierte in keinster Weise auf ihre Handlungen, und sie spürte ihn atmen, fühlte das Heben und Senken seiner Rippen sowie die Kraft, die von seinem Körper ausging. Die Majestät seines Wesens. Nach einer Weile fauchte der Jaguar leise.
    »Mag sein«, sprach Morgana Fatima und sah gedankenverloren in den Raum hinein. »Mag sein. Aber wenn mein Verdacht stimmt, brauchen wir nicht länger nach einem Ersatz für diesen schwachen alten Akademiker aus Mexico City zu suchen.«
    Abermals gab das Tier ein Geräusch von sich, das vom Klang her halb Schnurren, halb Knurren sein konnte. Morgana nickte leise, als gäbe sie ihm Antwort. »Es kann sein, dass du Recht hast. Wir werden es erfahren.«
    ***jemand sc
    Elian Rodrigo war froh, diese Strecke bereits einmal gefahren zu sein, denn ohne Ortskenntnis hätte er seinen gemieteten Jeep wohl schon längst gegen einen Baum gesetzt. Die Nacht war finster, und das bisschen Licht, das die altersschwachen und staubigen Scheinwerfer des Wagens der Dunkelheit abringen konnten, reichte gerade aus, um Elian auf die unmittelbarsten Schlaglöcher hinzuweisen.
    In die er dann aber trotzdem hineinfuhr, denn für eine genaue Betrachtung der vor ihm liegenden Buckelpiste, die in dieser Gegend offensichtlich noch als Straße durchging, fehlte ihm schlicht die Zeit. Die Uhr lief, und Rodrigo wusste, was auf dem Spiel stand. Er musste weiter.
    Mit jedem Ruck, den der alte Jeep machte, konnte Elian hören, wie seine Gerätschaften auf den Rücksitz durcheinandergewürfelt wurden. Seit er über die Grenze war, hatte er den Rand der großen Trommel zum Beispiel schon zweimal an den Hinterkopf gestoßen bekommen. Nur mit Mühe konnte er die Bögen Papier unter Kontrolle halten, die auf seinem Schoß lagen und bei jeder Kurve, jeder Unebenheit der Fahrbahn von einer Seite zur anderen rutschten. Er hätte anhalten und seine Fracht sichern können - die Papiere ins Handschuhfach, die Ausrüstung mit Gurten festzurren - doch die Zeit, die Zeit… es zählte jede Minute. Er konnte nicht umkehren.
    Elians Rechte umklammerte das Lenkrad fest, während er versuchte, mit der linken Hand die Nummer des Krankenhauses im Datenspeicher seines Mobiltelefons zu finden. Zwar hatte er wenig Hoffnung, dass sich Javiers Zustand verbessert haben mochte, doch hatte der Arzt ihm erlaubt, zu jeder Tages- und Nachtzeit anzurufen und sich nach dem Wohlergehen des Dozenten zu erkundigen. Und auf dieses Angebot ging der Mexikaner nur zu gerne ein.
    »Rodrigo hier, ich wollte mich nach dem Zustand von Dr. Javier Montejo… Ja, ich warte.« Sanfte Musik erklang, während die Nachtschwester den diensthabenden Arzt suchen ging. Dann machte es klick, und Elian konnte sprechen.
    »Ja, Rodrigo. Guten Abend. Wie geht es Doktor…« Er brach ab und hörte eine Weile zu, nickte und blieb völlig ausdruckslos. Dann bedankte er sich. »Das habe ich mir schon gedacht, danke. Ich melde mich morgen wieder.« Er unterbrach die Verbindung und verstaute das Handy wieder in der Tasche seiner verwaschenen Jeans.
    Unverändert. Na ja, immerhin hatte er nichts anderes erwartet.
    Elian biss die Zähne zusammen, als ein Tier in den Lichtkegel seiner Scheinwerfer geriet. Nur mit Mühe gelang es ihm, einhändig das Lenkrad herumzureißen und dennoch nicht von der Straße abzukommen. Der Jeep schlingerte, wirbelte kleine Staubwolken auf, und für einen Moment verlòr der Mexikaner völlig die Orientierung. Abermals knallte die Trommel schmerzhaft an seinen Hinterkopf, und diesmal flogen auch die Blätter in alle Richtungen, verteilten sich im gesamten Wagen. Es nutzte nichts, er musste anhalten.
    Mit knirschenden Reifen kam der staubige Jeep am Straßenrand zum Stehen. Elian seufzte und begann, die Papiere wieder zusammenzusuchen. Über den Schaltknüppel gebeugt, griff er in den Fußraum vor dem Beifahrersitz, hob seitenweise Papierbögen hoch und legte sie auf den freien Platz neben sich. Während Elian unter dem Sitz weitersuchte, zog eine Wolke am Vollmond vorbei und ließ helles Licht auf den zuoberst liegenden Bogen Papiers fallen.
    Auf die Kohlezeichnung eines schwarzen Jaguars.
    ***
    Zamorra und Nicole waren pünktlich, denn sie wollten nichts verpassen. Als sie aus ihrem Jeep ausstiegen und über den ausgetretenen und zugewachsenen Pfad auf die Wiese hinaustraten, war zu sehen, dass sich bereits rund 30

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