Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0889 - Eishauch des Todes

0889 - Eishauch des Todes

Titel: 0889 - Eishauch des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
Vom Netzwerk:
erstarrte. Das letzte Wort, das das Opfer noch hatte sagen wollen, kam nie über seine Lippen.
    Es knackte, als der Arm hinab fiel. Im selben Moment löste sich das weiße Nebelgespinst aus der Leiche und schwebte zu der Puppe. Diese öffnete den Mund und atmete die Essenz ein.
    Leben und Kraft durchpulsten sie, zitterten durch ihren Körper, erfüllten jeden Quant ihres Daseins, jede einzelne Zelle… oder jede Maserung ihres Holzes, das kein Holz mehr war, sondern sich noch mehr zu Fleisch und Blut wandelte.
    Die Puppe wandte sich ab, ließ die Tote zurück. In einigen Stunden spätestens würde sie in dieser einsamen Sackgasse gefunden werden. Vielleicht von einem zufälligen Passanten, vielleicht von einem Bewohner der letzten Häuser, die hinter leidlich gepflegten Vorgärten standhaft dem Zerfall trotzten.
    Sie bedauerte, nicht sofort in einen Spiegel sehen zu können, wie damals, als sie ihr erstes Opfer in einer öffentlichen Damentoilette tötete. Danach wäre sie fast entdeckt worden, und dieses Risiko wollte sie seitdem nicht mehr eingehen und wählte deshalb abgeschiedene Orte. Da war es besser, die Neugier einige Minuten zu bezähmen.
    Die Finger tasteten über das Gesicht. Sie fühlte, dass die Haut weicher war als zuvor. Weicher und wärmer. Das linke Augenlid pulsierte. Ihre Finger zitterten, als sie darüber strichen und dieses Lebenszeichen fühlten.
    »He! Bleib stehen!«
    Instinktiv gehorchte sie. Es war, als sei sie versteinert, als wären ihre Füße festgewachsen auf dem Asphalt.
    »Was hast du mit dieser Frau gemacht? Das… das war ja irre…«
    Dann, eine zweite Stimme: »Shit, die ist tot! Ruf die Bullen, na los!«
    Langsam drehte sich die Puppe um. Zwei junge Männer standen da, höchstens zwanzig Jahre alt. Einer hielt ein Handy, versuchte eine Nummer einzutippen, aber die Finger zitterten zu sehr.
    »Nun mach schon!«
    Die Puppe war unschlüssig, was sie tun sollte. Die beiden angreifen? Sie töten? Aber warum? Es ergab keinen Sinn. Sie würden ihrer Vervollkommnung nicht dienlich sein, schon gar nicht, wenn sie ihnen den Eishauch schickte. Sie sahen so ganz anders aus… so anders als die erste Frau, die sie getötet hatte und damit ihren Weg zur Menschwerdung begonnen hatte. Seitdem zog es sie stets zu Frauen, die diesem ersten Opfer ähnlich sahen, damit sie sich in eine bestimmte Richtung entwickeln konnte.
    Aber vielleicht konnte sie ihre anderen Kräfte anwenden? Sie hatte es noch nie versucht bei jemandem, der kein auserwähltes Opfer war. »Warum die Polizei?«, fragte sie. »Es ist doch nichts geschehen.«
    Würde es funktionieren? Konnte sie die beiden Männer hypnotisch beeinflussen und ihnen ihren eigenen Willen nehmen?
    Eine Sekunde lang blieb es in der Schwebe. Sie wusste es nicht, erkannte keine Anzeichen, die dafür sprachen - aber auch keine, die das Gegenteil bewiesen.
    Die Spannung löste sich erst, als einer beiden, derjenige, der das Handy in der Hand hielt, das Wort ergriff. »Nichts passiert?«, fragte er ungläubig. »Was soll der Mist? Du hast sie gekillt…«
    Im selben Moment schien auch von dem anderen ein Bann zu fallen. Er sprang vor, wunderte sich womöglich selbst über sein plötzliches Heldentum - und packte den Arm der Puppe, drehte ihn auf den Rücken. »Da gibt's doch diese anderen Toten - ich hab im Internet davon gelesen. Na los, ruf schon die Polizei! Schnell!«
    Die Puppe drehte sich um.
    »A-aber das gibt's doch nicht! Dein Arm! Er…«
    Sie fühlte keinen Schmerz, als sie sich dem Griff entwand. Ein Mensch hätte diese Bewegung niemals ausführen können.
    Ihre Faust hämmerte ins Gesicht des verhinderten Helden. Im wahrsten Sinne des Wortes drosch sie hart wie mit Holz auf ihn ein. Seine Nase brach knirschend. Die Oberlippe platzte.
    Er heulte fassungslos und spuckte sein eigenes Blut aus.
    Die Puppe hörte noch das Handy des anderen auf den Boden fallen, sah noch das schreckensbleiche Gesicht, dann wirbelte sie herum und rannte weg.
    Die beiden folgten ihr nicht.
    Bald erreichte sie das kleine Haus, das sie bewohnte. Darin war sie sich ihrer selbst bewusst geworden, schon vor langem. Es hatte Wochen gedauert, ehe sie sich zum ersten Mal über die Schwelle getraut und mit den Morden begonnen hatte.
    Klackend fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
    Sie war allein. Endlich wieder allein…
    »Willkommen«, sagte eine tiefe Stimme.
    ***
    »Kommen wir gleich zur Sache.« Professor Zamorra achtete peinlich genau darauf, dass sich die Mündung der

Weitere Kostenlose Bücher