089 - Das Heer des Untoten
oberen Räume. Er goß sich einen Bourbon ein und nahm einen kräftigen Schluck. Danach fühlte er sich wohler.
Er beschloß, keine Zeit zu vergeuden. Der letzte Teil des Reims war es, der ihn nicht mehr zur Ruhe kommen ließ. Es war eine deutliche Drohung.
Daß sich der Reim auf ihn bezog, bezweifelte er nicht. Schließlich hatte er ihn ja von der alten Hexe erhalten. Aber nicht nur das.
Teile des Verses sprachen für sich selbst.
Taffy, das mochte er selbst sein.
Taffy war ein Welscher.
Ein Welscher war einer, der fremd war, aber sich einfach nahm, was ihm gefiel. Ein unehrenhafter Kerl. So wie er damals.
Und Taffy war ein Dieb!
War er nicht ein Dieb gewesen? War er nicht in das Haus eingebrochen und hatte die Uhr gestohlen?
In mein Haus Taffy kam
sich ein Stück vom Ochsen nahm!
Infantile Versinnbildlichung. Ein Stück vom Ochsen - ein Stück vom Ganzen! Die Uhr - als Stück welches Ganzen? Ihrer mechanischen Magie, wie sie es einmal genannt hatte?
Ich suchte Taffy heim
Taffy lag im Bett
Es mochte nur der Traum sein, die Erinnerungen, die ihn heimsuchten. Er fröstelte plötzlich. Hatten seine Ahnungen ihn geweckt?
Zeit war bedeutungslos.
Mit einem scharfen Messer- schnitt ich den Kopf ihm weg!
Wann?
Wo?
Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
Er schrieb eine kurze Nachricht für Trevor Sullivan. Dann kleidete er sich an. Noch vor Anbruch der Morgendämmerung war er auf dem Weg.
Das Internat stand noch, aber das Gebäude war vermietet, und der Park war verwahrlost. Der alte Maschendrahtzaun stand nur noch zum Teil. Der Wald machte einen verwilderten Eindruck. Die Menschen waren unfreundlich. Alles in allem schienen Dorian Hunter die Erinnerungen tröstlicher als die Gegenwart.
Als er die Leute nach dem alten Haus am See befragte, erhielt er nur ausweichende Antworten. Kaum jemand wollte etwas gesehen oder gehört haben. Nur daß ein Fluch auf dem Haus liegen sollte, bekam er zu hören.
Und daß es noch bewohnt war.
Er schritt den alten Weg entlang. Einen Durchschlupf brauchte er nicht zu suchen. Als er in den Wald trat, schien es ihm, als habe die Zeit den Atem angehalten.
Nichts schien sich verändert zu haben. Er erreichte den See und sah das Haus vor sich. Und wie damals ragten diese zeitvergessenen Giebel und Mauern im Grün des Waldes empor. Sie wirkten unberührt, grün vom wilden Wein. Und düster, selbst am Tag.
Unwillkürlich sah er zum Himmel. Dunkle Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben, als sollte niemand dieses Haus in freundlichem Licht sehen.
Es war nicht zu erkennen, ob sich jemand im Haus befand.
Der Dämonenkiller schritt auf den Eingang zu. Es war wie früher. Fast glaubte er das Mädchen heraustreten zu sehen und ihre Worte zu vernehmen: ,Dory, ich bin so froh, daß du gekommen bist.' Er schüttelte sich unwillkürlich. Seine Phantasie spielte ihm einen Streich.
Entschlossen klopfte er an der Tür. Es hallte weithin. Wenn jemand zu Hause war, mußten sie es hören. Aber nichts regte sich. So öffnete er und trat ein.
Die Halle war düster. In dem spärlichen Licht, das durch die Fenster fiel, sah er, daß alles stehengeblieben war, als seien keine fünfzehn Jahre vergangen, sondern nur ein Tag - als habe er Irene gestern verlassen, als könne diese vergessene Liebe eine Fortsetzung finden.
Er stieg die Treppe hoch. Auch die Uhren standen und hingen an den Wänden des Korridors wie damals - aber nun stumm, abgelaufen.
Er erreichte das Zimmer, an das er sich am deutlichsten erinnerte. Die Puppen. Das Sofa. Die Spiegel.
Während er gedankenverloren mitten unter den Erinnerungen stand, fiel Dunkelheit über das Haus. Ein Blitz zuckte, so daß die Fenster wie von Feuer erfüllt waren, und Donner ließ die Mauern erbeben.
Dorian Hunter schrak zusammen. Ein Gewitter wie einst in der Nacht, als er die Uhr gestohlen hatte! Das schien ihm mehr als Zufall. Alarmiert eilte er zur Tür. Da begann eine Uhr zu schlagen, und ein Spielwerk lief mit hellem Klingen - traurig und verloren.
Dorian lauschte erstarrt. Die Melodie berührte ihn tief. Und er glaubte eine verwehte Stimme zu hören, die immer wiederholte:
Taffy war ein Dieb! Taffy war ein Dieb! Taffy war ein Dieb! Taffy war ein…
Dann sah er eine Bewegung hinter einem der Schränke und sprang darauf zu. Jemand versuchte zu fliehen. Aber Dorian erwischte im Halbdunkel den Zipfel eines hellen Gewandes - eines Kleides. Eines gelben Kleides!
Er starrte auf die sich heftig wehrende Gestalt, war aber trotz des
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