089 - Das Heer des Untoten
und nickte. Die Tür öffnete sich, und das Mädchen kam herein. Ohne die Lebenden anzusehen, beugte sie sich über die Tote und begann, die Teile der Uhr aufzusammeln.
„Ich werde sie wieder zusammenfügen", sagte sie zuversichtlich. Trauer war in ihren dunklen Augen. „Lassen Sie Mrs. de Mille hier in ihrem Zimmer. Und kommen Sie zum Imbiß nach unten." „Die Kleine ist eiskalt", murmelte Jeffers, nachdem die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte.
„Sie ist nicht Herr über sich selbst", widersprach Williams. „Es ist die Alte, die mit uns spielt. Das Mädchen ist nicht freier als wir. Ich war oft genug in diesem Haus, um es zu wissen." Er schüttelte den Kopf. „Wenn Sie mich fragen - diese Taffy-Geschichte ist nur ein Ablenkungsmanöver. Die Uhren sind das Wichtigste."
Dorian nickte. „Das scheint mir auch so. Vielleicht bin ich Taffy. Vielleicht sind Sie es. Was sollte das ändern? Sollen wir uns gegenseitig umbringen?"
„Sie haben recht, Hunter", pflichtete Williams bei. „Selbst wenn wir herausfinden, wer von uns dieser ominöse Taffy ist, hilft uns das nicht weiter. Wir müssen uns um die Uhren kümmern. Ich nehme an, daß jeder inzwischen seine Uhr entdeckt hat?"
Jeffers nickte, und die Sykes nickten ebenfalls. Dorian bejahte. Nur die Bedfords schüttelten die Köpfe.
„Da stehen wohl zwei Uhren in unserem Zimmer, aber sie haben keine Zeiger. Deshalb haben wir sie uns gar nicht genauer angesehen."
„Das sollten sie aber", erklärte Dorian ernst. „Wenn Sie auf das Ticken hören, wird Ihnen bald auffallen, daß es genau mit Ihrem Herzschlag übereinstimmt."
„Oder umgekehrt", ergänzte Jeffers.
„Das ist eine philosophische Frage", meinte Williams.
„Für uns kaum, Doktor."
„Ich schlage vor, daß jeder seine Uhr mit nach unten bringt, wenn wir jetzt zum Essen gehen. Das gibt uns Gelegenheit, sie im Auge zu behalten", schlug Dorian vor. „Einverstanden?"
Allgemeines Nicken.
Als Dorian in das Eßzimmer kam, waren bis auf die Bedfords alle versammelt. Sie hatten ihre Uhren vor sich auf dem Tisch stehen und Jeffers hatte eine beachtliche Standuhr neben seinen Stuhl gestellt. Mit einem Blick sah Dorian, daß alle Zifferblätter bemalt waren. Das bedeutete, daß ihre Vergehen daran abzulesen waren. So ließ sich das Taffy-Rätsel am einfachsten lösen. Er war nicht sicher, ob es nicht doch von Bedeutung war.
Aber wo war der Zusammenhang?
Das Mädchen servierte eine seltsame Kräutersuppe, die so appetitlich duftete, daß die meisten ihr Mißtrauen vergaßen und sich hungrig darüber hermachten. Ihre Tante ließ sich nicht blicken, und dieses Versteckspiel schien Dorian sehr seltsam.
Die Bedfords kamen spät und ohne ihre Uhren. Während des Essens war es so still, daß man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Ihnen allen saß das Entsetzen über Mrs. de Milles grauenvollen Tod im Nacken.
Dorian versuchte, das Mädchen nach ihrer Tante auszufragen. Aber sie bedachte ihn mit einsilbigen, nichtssagenden Antworten.
Auf die Frage, warum sie ihre Uhren nicht mitgebracht hätten, antworteten die Bedfords, daß sie sie gut versteckt hatten. Das schien ihnen sicherer. Aber sie konnten eine gewisse Verlegenheit nicht verbergen. Nach dem Essen schlug Dorian vor, noch nicht auf die Zimmer zurückzukehren, sondern zusammenzubleiben um zu beraten.
Sie waren sich einig, daß Flucht nichts nützte, solange es ihnen nicht gelungen war, den Bann der magischen Uhren aufzulösen. Spätestens am Morgen wollte man Hilfe von außen holen und Mrs. de Milles Tod melden.
Das Gewitter hatte inzwischen aufgehört, aber es regnete noch immer, so daß man davon absah, das Gelände abzusuchen. Außerdem war es bereits zu dunkel dazu.
Der Taffy-Reim kam wieder zur Sprache. Mr. Bedford meinte nämlich, wenn es eine Seele sei, die Taffy mitgenommen hatte, und wenn, wie Mr. Hunter gesagt habe, ihre Seelen sich in den Uhren befänden, dann könne nur Dorian Hunter der Taffy sein. Denn er habe eine Uhr mitgenommen - seine Uhr, mit seiner Seele.
„Nein", sagte Williams plötzlich. „Ich kann es auch sein. Auf meine Weise habe ich auch eine Seele aus diesem Haus fortgenommen."
„Sie?" entfuhr es Dorian.
Der Arzt nickte. „Jene der Mutter dieses Mädchens. Ich war es nämlich, der sie entbunden hat. Aber nicht lange nach der Geburt starb sie, obwohl ich glaubte, alles für sie getan zu haben. Aber ich hätte wissen müssen, daß das Leben in diesem Haus eine schwache Pflanze ist, die sehr
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