089 - Lebende Leichen
breitem, slawischem Gesicht, begrüßte ihn und machte ihn mit den Herren bekannt. Da war zunächst Dr. Uridil, Chefarzt des Krankenhauses, ein schlanker, gutaussehender, noch junger Gelehrtentyp. Dann der Polizeiinspektor Horvath, ein drahtiger, schnurrbärtiger, schwarzhaariger Mann in Uniform. Und der Polizeiarzt Dr. Abel, etwa fünfzig, untersetzt, mit wasserblauen Augen und einem ungewöhnlich großen Kahlkopf.
Wie ein Embryo, dachte Larry Brent im ersten Augenblick, aber er erkannte rasch, daß in dieser kahlen Kugel eine scharfe Intelligenz steckte.
Sie nahmen Platz. Bürgermeister Steiniger ergriff das Wort. » Sie wissen, worum es geht, meine Herren. Ich kann ohne Übertreibung feststellen, daß kaum je vorher Menschen mit einem solchen ungewöhnlichen Problem zu tun hatten. Erschreckendes geschieht in unserer Stadt. Es ist Tatsache, daß innerhalb von 48 Stunden vier Menschen, die alle als tot galten, plötzlich wieder erwachten, umhergingen und erst dann wirklich starben. Vier Menschen! «
Inspektor Horvath räusperte sich. » Ich würde sagen, mindestens vier Menschen, denn von anderen wissen wir ja nicht, ob sie im Sarg noch mal zum Leben erwachten. «
» Ein wahrhaft schauriger Gedanke! « Der Chefarzt Dr. Uridil trommelte nervös auf die Tischplatte. » Aber wir müssen uns natürlich auf die vier bekannten Fälle beschränken. Und da liegt es nahe, vorsichtshalber nicht von Verstorbenen oder gar Toten zu sprechen, sondern von angeblich Verstorbenen und angeblichen Toten! «
Der Polizeiarzt stieß ein kurzes, ironisches Lachen aus, und in seinen hellblauen Augen begann es zu glimmen. » Ich verstehe, das geht notwendigerweise gegen mich, Herr Dr. Uridil, denn ich war es ja, der in allen vier Fällen den Totenschein ausgestellt hat. Aber ich möchte Ihnen folgendes entgegnen: Ein sechsjähriges Kind, das ertrunken ist und etwa eine halbe Stunde unter Wasser gelegen hat, das ist tot, und niemand kann an dem Befund zweifeln. Ein Mann, der an einer Starkstromleitung von 20.000 Volt hängt, bis ihm die Hände abschmoren, der ist auch tot, alles andere wäre ein Märchen. Und ein Mann, der sich so erhängt, daß ihm zwei Halswirbel glatt durchbrechen, der ist gemeinhin auch tot. Und was die Witwe angeht, kennen Sie viele Leute, die einen dritten Schlaganfall überleben? Ich nicht, Herr Dr. Uridil! «
Der Chefarzt zuckte wortlos mit den Schultern. Der Polizeiarzt verstand das offenbar als eine Kritik, denn die Schläfenadern an seinem Kahlkopf schwollen plötzlich an, und er sagte mit erhobener Stimme: » Ich bin bereit zu beschwören, meine Herren, daß alle diese vier Menschen tot waren! Ganz und gar tot! Das ist die Tatsache, die unumstößliche Tatsache, der wir ins Auge sehen müssen. Alles andere wäre Phantasterei und sinnloses Ausweichen vor den Fakten. «
Sie schwiegen einige Sekunden. Dann meinte Inspektor Horvath: » Wenn es so ist, und ich zweifle nicht daran, Dr. Abel, daß Sie recht haben, dann stehen wir allerdings vor einem Problem, bei dem ich fürchte, daß unser Verstand und unsere Kräfte dafür nicht ausreichen, ja überhaupt nicht geeignet sind. Ich bitte Sie, was macht die Polizei oder die Gendarmerie mit Toten, die plötzlich herumlaufen? Soll ich sie wegen groben Unfugs verhaften lassen? Meine Herren, hier bin ich überfordert. Wir alle sind überfordert! «
Larry Brent hob die Hand. Der Bürgermeister nickte ihm zu.
» Ja, Mister Brent? «
» Eine Frage. Sind alle Menschen, die in den letzten Stunden in Ihrer Stadt starben, wieder erwacht? Oder gibt es auch welche, die das nicht taten? «
Der Chefarzt übernahm die Antwort. » Eine sehr berechtigte Frage. Sie ist mit Ja zu beantworten. Wir hatten in derselben Zeit im Krankenhaus zwei Todesfälle, bei denen gar nichts geschah. In einem Fall sind schon 40 Stunden vergangen, im anderen fast 24 Stunden.
Wir haben die Toten noch nicht freigegeben. Eben um zu sehen, ob etwas passiert. Aber es scheint nicht der Fall zu sein. «
» Was sind das für Todesfälle? «
» Ein Achtzigjähriger, der an einer Lungenentzündung starb, und ein Diabetiker, der schon im Koma lag, als er bei uns eingeliefert wurde, er war nicht mehr zu retten. «
» Ich frage mich nämlich « , meint X-RAY-3, » ob es nicht gewisse Dinge gibt, die allen diesen vier Fällen von Wiedererwachen gemeinsam sind. Umstände, die bei allen übereinstimmen. Vielleicht bringt uns das weiter. Wenn ich einmal aufzählen darf …«
» Ich bitte um Entschuldigung « ,
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