0890 - Auge zum Hyperraum
Pankha-Srin, der die Materiequelle für uns gefunden hat, wird demnächst in diesem Raumsektor eintreffen, um den Schlüssel für die Materiequelle in Empfang zu nehmen. Ich muß schnell handeln, wenn ich ihm das Auge präsentieren will. Gle-niß, du lebst noch in der Vergangenheit, dabei ist für unser Volk längst schon die Zukunft angebrochen."
Goran-Vran wurde immer deutlicher bewußt, daß hier zwei Welten aufeinanderprallten. Dies war keine persönliche Auseinandersetzung zwischen zwei Türmern, sondern ein Streitgespräch zwischen den Vertretern vom Gestern und vom Morgen, deren Auslegung der Entelechie geradezu gegensätzlich war.
Ausdauer und Geduld waren die Dogmen der Vergangenheit; ohne den festen Glauben daran, daß sich die Bestimmung irgendwann einmal erfüllen würde, hätte sich das loowe-rische Volk nie über so viele Äonen hinweg behaupten können. Nur dieser unerschütterliche Glaube hatte es ermöglicht, daß das über das gesamte Universum zersplitterte Volk der Loower trotz allem eine Einheit bildete.
Doch mit dem Auffinden der Materiequelle durch den Quellmeister war eine neue Ära angebrochen, die alten Tugenden hatten keine Gültigkeit mehr. Es wurden neue Anforderungen an die Loower gestellt, die Werte hatten sich verlagert. Entelechie war nunmehr Tatkraft, Handlungsbereitschaft und rasche Entschlossenheit.
Die Raumfahrer hatten dieser neuen Entwicklung Rechnung getragen, sie hatten eine Generation von Loowern hervorgebracht, die sich durch ein Tiefenbewußtsein auszeichnete, das den Anforderungen der neuen Zeit gewachsen war.
Der Türmer von Alkyra-II dagegen hatte die Entwicklung verschlafen.
Mit diesen Überlegungen zerstörte Goran-Vran selbst seine romantischen Vorstellungen von der Bestimmung seines Volkes. Aber diese Erkenntnis erschütterte ihn in keiner Weise, ganz im Gegenteil, er wußte, daß er dadurch erst die nötige Reife für die an ihn gestellten Aufgaben erlangt hatte.
Und er akzeptierte die Haltung der Raumfahrer, denn er fühlte sich als ein Loower ihrer Generation. Mit Gleniß-Gem dagegen hatte er Mitleid.
„Und doch ist es gut, daß du das Eintreffen des Maluth-Helk abgewartet hast, Hergo", sagte der Türmer von Alkyra-II. „Das Material, das er mitgebracht hat, vermittelt uns viele neue Erkenntnisse über die Technik des Wächtervolkes. Und das Energiewesen an Bord könnte dir weitere wertvolle Aufschlüsse vermitteln."
Hergo-Zovran fühlte sich als Sieger des Streitgesprächs, das merkte man ihm an. Er war ehrenhaft ge-44.
PERRYRHODAN, nug, Gleniß-Gems Kapitulation stillschweigend hinzunehmen.
„Manchmal ist es gut, wenn das weise Alter den ungestümen Tatendrang der Jugend mäßigt", sagte der Türmer der Raumflotte versöhnlich. „Ich danke für deinen Rat, Gleniß. Ich will ihn annehmen und solange warten, bis das vorhandene Material ausgewertet ist. Vielleicht ergibt es sich, daß inzwischen sogar das Energiewesen aus seiner Trance erwacht."
Goran-Vran konnte sich vorstellen, wie schwer es Hergo-Zovran fiel, solche Konzessionen an den Türmer von Alkyra-II zu machen. Ihn selbst machte die Vorstellung, daß Unbefugte mit dem Auge experimentierten, fast verrückt. Und er wünschte sich nichts sehnlicher, als daß die Flotte bald starten möge.
6.
Margor schickte die Paratender auf ihre Quartiere und zog sich mit dem Auge ins Laboratorium zurück. Er sperrte sich darin ein, obwohl er auch so vor Störungen sicher gewesen wäre.
Die Paratender, die sich mit dem Öffnen des Behälters befaßt hatten, waren froh, nach den Strapazen ihre Ruhe zu haben, sein Leibwächter Didi hatte ohnehin eine kreatürliche Angst vor dem Unbekannten, und Niki hatte sich von dem Schock noch nicht erholt, den der beim öffnen des Behälters abgestrahlte Warnimpuls verursacht hatte.
Margor konnte sich in Muße dem Studium des Auges widmen.
Jetzt, da es ohne schützende Hülle vor ihm lag, hatte er keine Eile mehr. Nichts von der Hektik der vorangegangenen Stunden war ihm anzumerken.
Der Behälter war geöffnet, er interessierte ihn nicht mehr. Das Auge lag vor ihm. Er betrachtete es zum erstenmal eingehend.
Bevor er sich an seine Erforschung machte, wollte er sich zuerst seine äußeren Merkmale genau einprägen, wie um seinen Anblick zu genießen.
Das Auge war fast ebenso groß wie der zylinderförmige Behälter, in dem es untergebracht gewesen war. Es paßte genau in den Hohlraum hinein und war in seiner Gesamtheit 19,6 Zentimeter lang.
Margor
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