0892 - Jagd durch die Zeit

ja, Menschen handeln manchmal völlig irrational, vor allem, wenn sie Angst haben. Trotzdem stellt sich hier die Frage, ob unser alter Freund Sid Amos da mal wieder dran gedreht hat. Der hat schließlich das größte Interesse daran, dass wir ihm Svantevit vom Hals schaffen.«
    Nicole verzog das Gesicht, als hätte sie gerade eben in einen durch und durch wurmstichigen Apfel gebissen. »Ja. Assi hat hier seine Finger im Spiel. Darauf würde ich unser Château verwetten. Mitsamt Lord Zwerg und Fooly. Dieser elende Mistkerl missbraucht uns mal wieder für seine finsteren Zwecke.«
    »Wer, Fooly?«
    »Assi natürlich«, fauchte Nicole. »Warum muss man Männern immer alles zwei Mal erklären?«
    »Weil Männer bekanntlich mit zwei Gehirnen denken. Eins da oben und eins weiter unten.« Zamorra grinste. »Im Ernst. Immer, wenn auch nur der Name Sid Amos fällt, kriegst du die blanke Mordlust in die Augen. Du tust ihm Unrecht. Er ist zwar nach wie vor undurchsichtig, aber doch längst auf unserer Seite.«
    Nicole zog die Tür auf und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. »Traurig, dass das Aas euch alle um den Finger wickelt. Bei mir schafft er das allerdings nicht. Dieses Gerde vom guten Teufel, wenn ich das schon höre…« Sie schlug mit der Faust aufs Lenkrad, während Zamorra den Beifahrersitz enterte. In den Pupillen ihrer braunen Augen schimmerten plötzlich goldene Tüpfelchen, ein untrügliches Zeichen, dass sie sich gerade aufs Äußerste erregte. »Assi ist nach wie vor ein Dämon, glaub's mir, Chéri. Und er hat irgendeine riesengroße Schweinerei vor. Mich kann er mit seinem ›Ich-mutiere-langsam-zu-einem-Wesen-des-Lichts‹-Getue allerdings nicht täuschen. Nicht eine Sekunde. Und ich hoffe bloß, dass es nicht längst zu spät ist, wenn euch irgendwann die Augen aufgehen.«
    ***
    18. bis 23. April 973 n. Chr.
    Kristallplanet, Zentrumswelt der DYNASTIE DER EWIGEN / Planet Gaia
    Hephaistos trat hoch erhobenen Hauptes vor den ERHABENEN hin. »Ich habe schlechte Nachrichten, Herr«, sagte der groß gewachsene Alpha und starrte unverwandt auf den blauen Helm mit dem Visorband. Er dachte gar nicht daran, dem ERHABENEN durch Niederschlagen der Augen Respekt zu erweisen.
    Der ERHABENE erhob sich. Er starrte auf den riesigen Bildschirm, der das Heimatsystem der Ewigen abbildete. In der Mitte der Schwärze, in der hunderttausende winziger Punkte funkelten, schwebte die blaue Riesensonne, um die sich insgesamt sieben Planeten drehten. Nur einer lag in der biologischen Zone, die Leben ermöglichte; die Kristallwelt nämlich, auf der sie sich befanden. Sie war als silberner Punkt markiert, der sich in Realzeit um die Sonne drehte. Abrupt drehte sich der ERHABENE um. »Schlechte Nachrichten sind in diesen Tagen fast schon zur Normalität geworden. Was haben Sie mir zu sagen, Hephaistos?«
    »Wir haben schon wieder einen Ernter auf Rillan IV verloren, Herr. Nur, dass das Schiff dieses Mal gezielt über der Siedlung zum Absturz gebracht wurde. Hundertdreiundzwanzig Ewige sind dabei hinüber gegangen.«
    »Hundertdreiundzwanzig«, flüsterte der ERHABENE sichtlich erschüttert. »Ich nehme an, dass die Umstände die gleichen waren wie in den Fällen zuvor?«
    »Ja, Herr. Wieder war etwas nicht Greifbares am Werk. Ebenso wie auf Molom III. Dort setzt sich fort, was uns bereits siebenundsechzig Leute gekostet hat. Denn wieder sind sieben Ewige angeblich freiwillig hinüber gegangen.« Die Stimme des Alphas wurde drängend, fast fordernd. »Herr, besinnt euch. Wir müssen uns unbedingt aus der Galaxis ESC 12 S zurückziehen. Bevor es zur wirklichen Katastrophe kommt. Dort ist eine feindliche, immer noch unbekannte Macht am Werk, der wir nichts entgegenzusetzen haben. An sechsunddreißig Orten hat sie bereits zugeschlagen, wir haben in den letzten siebenundachtzig Jahren vierhundertachtzehn Leute verloren, darunter einundvierzig Alphas. Von den über zweitausend Cyborgs will ich erst gar nicht reden. Herr, ich ersuche euch: Gebt ESC 12 S endlich auf.«
    »Schweigen Sie!«, zischte der Erhabene. »Sie wollen damit wohl zum Ausdruck bringen, dass ich nicht mehr weiß, was ich tue? Dass ich unfähig bin, das Amt des ERHABENEN zum Wohle der DYNASTIE auszufüllen?«
    »Nein, Herr, das will ich damit nicht ausdrücken.« Hephaistos' Augen sagten etwas Anderes.
    »Wir werden ESC 12 S nicht aufgeben«, sagte der ERHABENE. »Denn niemand ist der Macht des Imperiums auf Dauer gewachsen. Wer immer uns in dieser Galaxis bekämpft, gewinnt