0893 - Der Rachegeist
Kopf und wischte sich mit träge wirkenden Bewegungen über die Stirn.
Dann schraken beide zusammen, denn ein schrilles Kichern war an ihre Ohren gedrungen.
Der Geist?
Nein, die Geräusche waren normal, denn sie hörten das Kichern erneut und auch Tritte.
Zwei junge Mädchen gingen hinter dem Heck des Golfs entlang zu einem anderen Fahrzeug. Sie kicherten und hatten ihren Spaß. Zwei Augenpaare aber starrten nach wie vor auf den nassen Boden des Parkplatzes, wo die Schneeflocken schmolzen.
»Es ist vorbei!« flüsterte Sarah schließlich. »Meine Güte, es ist vorbei, und ich sitze hier mit leeren Händen.«
Sie schaute darauf, als könnte sie es nicht fassen.
»Laß uns aussteigen - bitte.«
»Okay.«
Beide Frauen verließen den Wagen. Während sich die Horror-Oma umschaute, aber nichts sah, schloß Jane den Golf ab. Es waren die normalen Bewegungen, nur bekam sie die kaum mit. Sie fühlte sich auf der anderen Seite eingepackt wie in Watte, auf der anderen aber steckte sie voller Spannung und Unruhe.
Der Mittelstreifen des Parkplatzes, wo keine Wagen standen, schimmerte bereits weiß.
Jane ging um das Fahrzeug herum, um Lady Sarah ihren Arm zu reichen. »Hake dich ein, bitte.«
»Danke.«
In der Tat war es ziemlich glatt. Beide mußten achtgeben, daß sie nicht stolperten. Erst im Eingangsbereich des Hauses verbesserte sich die Lage, dort war der Hausmeister dabei, Sand zu streuen.
Jane und Sarah waren ihm nicht unbekannt. Als sie im hellen Eingang auftauchten, schaute er auf und sah die beiden Frauen. »Einen wunderschönen Abend, die Ladies. Da haben Sie aber noch einmal Glück gehabt.«
»Wieso?« fragte Jane.
Er deutete mit seiner Schaufel zum Himmel. »Was meinen Sie, was da noch alles runterkommt. Wenn Sie morgen aus dem Fenster schauen, liegt London unter einem Leichentuch.«
Beide konnten über diesen Vergleich nicht lachen, traten ihre Schuhe ab und gingen ins Haus.
»Fühlst du dich jetzt wohler?« fragte Jane.
Sarah Goldwyn, noch immer ein wenig blaß um die Nase herum, nickte. »Ja, ich fühle mich besser, ich weiß auch, daß hier Menschen wohnen, die sich gegen das Grauen zu wehren wissen.«
»Hoffentlich«, murmelte Jane, »hoffentlich.«
***
Wir hatten es geschafft und waren noch vor dem Schnee bei uns zu Hause eingetroffen. Sofort nach dem Verlassen des Fahrstuhls war Suko in seine Wohnung gegangen, um nach Shao zu schauen. Ich klaubte den Schlüssel hervor und schob ihn in das Schloß, wobei ich auch Glendas Grinsen bemerkte. »Was ist los?«
»Bin gespannt, wie deine Wohnung aussieht.«
»Wie bei einem Junggesellen üblich. Perfekt gereinigt und zur Abnahme bereit.«
»Ha, ha.«
»Wenn nicht, kannst du ja einmal in der Woche kommen und sie putzen. Wäre doch was, oder?«
»Oder auch nicht.«
Ich drückte die Tür auf und trat vorsichtig über die Schwelle. Überhaupt war ich vorsichtiger und mißtrauischer als sonst. Ich bat Glenda, hinter mir zu bleiben, was sie auch tat und ging die ersten Schritte in den nicht sehr breiten Flur. Noch mit der Jacke bekleidet betrat ich den Wohnraum, der ebenso leer war wie der Flur. Ich winkte Glenda zu, sie kam und hatte zuvor die Tür geschlossen.
»Alles okay?«
»Ja - und sauber.«
Sie zog ihren braunen Mantel mit der fellgefütterten Kapuze aus, schaute sich um und machte sich auf den Weg in die Küche. »Wie sieht es mit Kaffee aus?«
»Gern.«
Ich stand im Schlafzimmer, blickte mich dort um und ließ das nicht gemachte Bett so, wie es war.
Im Bad fand ich ebenfalls nichts Verdächtiges und kehrte zu Glenda zurück, die dabei war, löffelweise das Kaffeepulver in den Filter zu kippen. Murmelnd zählte sie mit. »Du kannst schon mal die Tassen auf den Tisch stellen«, sagte sie. »Als perfektem Hausmann dürfte dir das doch nicht schwerfallen.«
»Bestimmt nicht.«
»Deck für Sarah und Jane gleich mit.«
»Dann wird es eng.«
»Macht dir das was aus?«
»Bestimmt nicht, wenn ich zwischen Jane und dir meinen Platz finden kann.«
Da blitzte sie mich an, als hätte ich ihr etwas Schreckliches gesagt. Die Tassen gehörten nicht eben zu dem besten, was der Porzellanmarkt zu bieten hatte, aber für mich und meine Besucher reichten sie aus. Wenn jemand etwas essen wollte, sah es nicht gut aus. Dann würde Shao eben etwas aus ihrer Wohnung holen.
Ich stellte die letzte Tasse auf den Tisch, als Suko die Wohnungstür aufschloß. Zusammen mit Shao kam er durch den Flur und betrat das Wohnzimmer. Die Erleichterung war ihm
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