Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0895 - Schattenkiller

0895 - Schattenkiller

Titel: 0895 - Schattenkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
habe, ich habe…
    Ihre Gedanken brachen ab. Von einem Augenblick zum anderen waren sie verschwunden. Plötzlich gab es die Erinnerung an die Träume nicht mehr. Lucille fühlte sich gut, so herrlich. Seit Monaten hatte sie dieses Gefühl vermißt. Sie lag auf dem Bett, lächelnd, die Beine ausgestreckt, die Arme ebenfalls, und sie merkte, wie allmählich die Entspannung in ihr hochstieg.
    Tief durchatmen.
    Ruhe…
    Wunderbar, es klappte alles wunderbar. Es war herrlich. Es war wie ein Traum.
    Bin ich wieder normal?
    Lucille gab sich selbst die Antwort auf die Frage, indem sie befahl, sich zu erheben. Einfach aufzustehen, das Nachthemd ausziehen, die normale Kleidung überstreifen und dann weggehen.
    Jetzt fühlte sie sich besser!
    Ein letztes Mal holte sie in ihrer liegenden Haltung Luft, dann drückte sie den Oberkörper hoch, drehte sich dabei nach rechts, schwang die Beine herum, und ihre Füße fanden zielsicher die flachen Pantoffeln. Dabei schielte sie automatisch nach rechts, wo der kleine Digitalwecker seinen Platz hatte.
    Mitternacht war vorbei. Seit etwa dreißig Minuten. Lucille rechnete nach. Sie hatte sich an dem letzten Abend ziemlich spät hingelegt. Und sie hatte zuvor eine Flasche Rotwein geleert, um die nötige Bettschwere zu bekommen.
    So hatte sie versucht, die Träume zu überlisten. Es war ihr nicht gelungen. Sie waren zurückgekehrt.
    Einem Raubtier ähnlich, das seine Beute nicht aus den Krallen ließ, auch wenn es sie mal kurz losließ, dann aber wieder zuschnappte.
    Lucille stand auf. Sie tat es mit normalen, kräftigen Bewegungen. Da war nichts Leidendes und Schweres mehr, es klappte wunderbar. Wieder kam ihr in den Sinn - wie früher.
    Sie stand vor dem Bett.
    Durchatmen, sich damit abfinden, daß sie sich nichts einbildete, daß es kein Traum war, denn es ging ihr gut.
    GUT GUT GUT!
    Sie hämmerte sich dieses Wort immer wieder ein. Es sägte in ihr Gehirn, aber es zersägte den Kopf nicht. Sie war in der Lage, ihre eigenen Gedanken zu steuern und wurde nicht mehr von Alpträumen kontrolliert. Das Schloß verlassen und damit die Grenze überschreiten, das war es, was sie wollte.
    Im Sommer schlief sie oft nackt. Zu dieser Jahreszeit allerdings hatte sie sich das wollene Nachthemd übergestreift, dessen Saum über ihre Füße schleifte. Der Raum war groß genug, um einen breiten Kleiderschrank zu beherbergen. Auf ihn lief sie zu. Im Dunkeln tappte sie weiter. Sie kannte sich aus, sie wußte genau, wo sie hinzugreifen hatte.
    Zu den Fenstern schaute sie nicht hin. Nur keinen Blick nach draußen werfen, sie hätte enttäuscht werden können. Sosehr sie das kochende Meer auch liebte, in Nächten wie diesen machten ihr die hohen, schaumigen Wellen angst.
    Lucille streifte das Nachthemd ab. Sie schlüpfte in den Slip, dann griff sie zielsicher zu einem dunkelgrauen, schlichten Wollkleid, das vorn eine Reihe von dunklen Köpfen aufwies. Die flachen Slipper mit den Kreppsohlen standen auf dem Boden des Schranks. Lucille mußte sich bücken, um die Schuhe hervorzuholen. Mit zwei glatten Bewegungen schlüpfte sie hinein, zog sich danach hastig wieder aus, um nach anderen Sachen zu greifen. Sie wollte ja weg, da war es besser, wenn sie eine Hose ebenso überstreifte wie einen Pullover. Beides war dunkel. Auch die Strumpfhose zeigte eine dunkle Farbe und wärmte sogar.
    Jetzt war alles klar.
    Der Mantel rutschte vom Bügel, als sie daran zupfte. Lucille zog ihn noch nicht an, sondern hängte ihn locker über ihren Arm. Sie fühlte sich viel mutiger, und sie wunderte sich auch nicht über den Drang, der sie zum Fenster hintrieb.
    Es war sehr groß. Aus ihm hätte man normalerweise drei Fenster machen können, und die obere Abtrennung wurde durch einen Rundbogen gebildet. Über den Holzboden bewegte sich Lucille auf ihr Ziel zu, und sie spürte dabei den leichten Schauer, der über ihre Haut tanzte. Eine Warnung?
    Nein, daran glaubte sie nicht. Es war nur das berühmte Kribbeln, das sie von früher her kannte.
    Sie umrundete einen kleinen Tisch, auf dem eine alte Eisenvase stand, und blieb so dicht vor dem Fenster stehen, daß sie auch hinausschauen konnte.
    Nichts trübte oder verwehrte ihren Blick. Sie schaute über das flache Land bis hin zu den Klippen, wo das Gelände ziemlich steil nach unten abfiel. Das Meer war dort nicht zu sehen, nur zu hören.
    Ein immerwährendes Hämmern, Klatschen und Brausen, wenn die Wellen mit elementarer Wucht gegen das Gestein geschleudert wurden und dort zu hohen

Weitere Kostenlose Bücher