0897 - Ein Hauch von Magie
sechzig und vierzig Kilometern innerhalb von zirka hun-dert Sekunden durch die Reibung un-sere gesamte kinetische Energie abge-bremst haben.
Während der steigende Andruck mich gegen den Boden oder die Wan-dung unserer Höhle preßte, fragte ich mich, ob sich der „Mantel" aus porö-sem Gestejn wenigstens prinzipiell genauso verhalten würde wie die Hit-zeschilde der prähistorischen Raum-kapseln. Das heißt, daß das Gestein sich nicht schlagartig ablösen durfte, was durchaus denkbar war, sondern daß die Oberfläche, wenn sie sich durch die Reibung mit der Atmo-sphäre auf mehrere tausend Grad Cel-sius erhitzte, flüssig werden sollte. Die Schicht hinter der Stoßwellen-front vor Charlemagne mußte sich dann bis auf den plasmatischen Zu-stand erhitzen, das heißt gasförmig werden. Dadurch würden aus der Zwischenschicht zwischen Flüssig-keitsschicht und Gasschicht etwa achtzig Prozent der umgesetzten Wärmeenergie in Form von Strahlung an die umgebende Atmosphäre abge-führt werden. „Uff!" machte jemand, als der An-druck auf zirka sechs Gravos ange-stiegen war. „Uff, uff, uff!" schallte es vielstim-mig, wenn auch ziemlich gepreßt aus dem Helmtelekom. Trotz starker kör-perlicher Belastung war die allge-meine Stimmung fast übermütig zu nennen, wenn auch mit einem Schuß jenes Galgenhumors, der augenzwin-kernd mit dem Tod liebäugelt, um ihm zu entwischen oder ihm gefaßt entge-genzutreten.
In diesem Falle wandelten die Sol-geborenen eine durch harten Andruck zufällig aus einer Lunge gepreßte Lautäußerung in gutmütigen Spott über Blackfoots Marotte um.
Als der Andruck ziemlich rasch nachließ, holte ich einige Male tief Luft, dann rief ich: „Es ist soweit! Wenn wir länger bleiben, bekommen wir zuviel Ge-schwindigkeit mit, denn die kinetische Energie Charlemagnes erhöht sich ab sofort wieder, da es keine Bremsfallschirme gibt."
„Also aussteigen?" fragte Finder Lapasch. „Wer weiterleben möchte, sollte aus dem stürzenden Meteoriten springen, und zwar schnell!" erwiderte ich.
Ich eilte den kurzen Gangabschnitt bis zur Öffnung hinauf. Das Wort „hinauf" traf genau zu, denn allmäh-lich machte sich nach einer Sekunde der Schwerelosigkeit die Anzie-hungskraft des Planeten bemerkbar.
An der Öff nung wartete ich gemein-sam mit Finder, bis alle Solgeborenen den Meteoriten verlassen hatten.
Als wir bis neunundvierzig gezählt hatten, deutete Finder mir durch eine Handbewegung an, daß ich vor ihm abspringen sollte.
Ich schüttelte den Kopf, packte ihn am Gürtel, zog ihn in die richtige Schußposition und trat ihn fort. „Der Wirt verläßt das Lokal als letzter!" rief ich ihm hinterher, dann sprang ich ebenfalls.
Sobald ich von Charlemagne frei-gekommen war, schaltete ich mein Flugaggregat ein und steuerte zu der Traube, zu der sich die Solgeborenen formiert hatten.
Ich bereitete mich innerlich darauf vor, Jubel und Glückwünsche über mich ergehen zu lassen, aber statt dessen wurde ich mit eisigem Schwei-gen empfangen.
Zwei Raumfahrer griffen nach mir und zogen mich in die Traube hinein, als fürchteten sie, ich könnte verlo-rengehen. Ihre Gesichter waren von einem Entsetzen gezeichnet, das sich nur langsam auflöste.
„Was ist eigentlich in euch gefah-ren?" fragte ich. „Bei SENECA!" entfuhr es Finder Lapasch. „Hast du nicht gesehen, daß sich die Öffnung wieder ausfüllte, kaum daß du dich abgestoßen hattest, Tatcher?"
Fast eine Minute lang brachte ich keinen Ton heraus, dann fing ich an zu zittern. Bruchteile einer Sekunde hat-ten mich vom sicheren Tode getrennt, nachdem ich so viele Gefahren mit ty-pisch marsianischer Findigkeit, viel Glück und Selbstvertrauen gemei-stert hatte. „Aber ich lebe!" sagte ich, nachdem ich mich halbwegs beruhigt hatte. „Uff!" machte Kavel Tobacco Blackfoot.
Die Raumfahrer der MONTRON hielten den Atem an, als am Abend-himmel eine Feuerkugel erschien, die so hell leuchtete, daß sogar die rotgol-dene Sonne dagegen verblaßte.
Die Feuerkugel raste in zirka zwan-zig Kilometern Höhe über die Stadt der Insekten, über den Dschungel, die ockerfarbenen Berge und den Stand-ort der MONTRON hinweg und tauchte hinter den nordöstlichen Ho-rizont.
Etwas später flammte greller Schein hinter dem Horizont auf, dann dauerte es nicht mehr lange bis zum Eintreffen des Explosionsknalls und einer Druckwelle, die die über dem Boden schwebenden Flugpanzer durcheinanderwirbelte, teilweise kol-lidieren und teilweise abstürzen ließ.
Sogar die MONTRON
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