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0897 - Monster-Maar

0897 - Monster-Maar

Titel: 0897 - Monster-Maar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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stechenden Schmerzen in ihren Armen jäh unterbrochen. Sie schrie auf und sah an sich hinab, um die Quelle dieser neuen Pein auszumachen. Erst als ihr Blick auf die dicken Seile fiel, die ihren Oberkörper umschlangen, bemerkte sie, dass sie ihre Hände kaum noch spürte.
    Hände, die in ihrem Rücken waren. Die sich ihrer Kontrolle entzogen. Gefesselte Hände.
    »Was zum…«
    Mühsam unterdrückte sie den Fluchtimpuls und zwang sich, zunächst die Lage zu sondieren. Sachlich und rational. Sie saß auf einem der hohen Lehnstühle, die an dem schweren Tisch in der Mitte des Raumes standen, und war mit mehreren Stricken an den Stuhl gefesselt. Ihre Arme waren brutal nach hinten gezogen und auf der Rückseite des Möbels an den Handgelenken zusammengebunden worden.
    Ein Räuspern erklang. Astrid hob den Kopf. Am Fußende des Tisches, wenige Meter von ihr entfernt, saß ein grauhaariger Mann von vielleicht sechzig Jahren, und sah sie besorgt an. Astrid erkannte ihn wieder: Es war der Abt, der Zamorra, Nicole und Holger vorhin aus der Bibliothek geschmissen hatte. Holger musste ihr schon einmal von ihm erzählt haben, den plötzlich wusste sie auch seinen Namen: Bauerschwan.
    Vor ihm auf der Tischplatte lag eine Pistole.
    »Ich grüße Sie«, sagte der Geistliche ausdruckslos.
    »Was soll das«, blaffte sie ihn an. »Ich bin Polizeibeamtin und verlange, dass Sie mich sofort…«
    Der Abt hob beschwichtigend die Arme und fiel ihr ins Wort. »Wer Sie sind und was Sie verlangen, hat, so fürchte ich, keinerlei Bedeutung mehr, junge Frau. Sie sind hier, und das allein zählt.«
    »Was soll das heißen? Wer sind Sie? Und was wird hier gespielt?«
    »Wissen Sie das noch immer nicht?«, fragte er und deutete mit ausgebreiteten Armen auf die Zettel, Bilder und Texte an den Wänden des Zimmers. »Sie hatten doch ausreichend Gelegenheit, sich die kleine Quellensammlung näher anzusehen, die ich und meine Brüder hier zusammengetragen haben. Aber ich vermute, Sie sind nicht allzu firm in okkulten Dingen.«
    »Vrilya«, wagte Astrid den Schuss ins Blaue und bemerkte, wie der Abt anerkennend die Brauen hob. »Sie… Sie eifern einem alten Science-Fiction-Roman nach.«
    »Na, na. Nicht so trivial, bitte sehr. Was meine Brüder und ich hier versuchen, geht weit über die sozio-litera-rischen Phantastereien eines Edward Bulwer-Lytton hinaus.« Bauerschwan lachte, erhob sich aus seinem Stuhl und trat ans Fenster. »Nein, mit der Suche nach alten Herrenrassen haben wir nun wirklich nichts am Hut. Doch das Vril, auf das sich Bulwer-Lytton bezog, spielt auch in unseren Planungen eine wichtige Rolle.«
    »Vril?«, fragte sie interessiert. Sie musste den Abt am Reden halten, musste Zeit gewinnen. Mühsam zerrte sie an ihren Fesseln.
    »Die allgegenwärtige, kosmische Energie«, sagte Bauerschwan. »Lebenskraft, die alles Seiende durchsetzt, jedes Wesen und jedes Ding. Die durch die gesamte Schöpfung strömt, immer und überall. Bulwer-Lytton wusste von ihr, wie auch viele andere Gelehrte seiner Zeit.«
    »Und was hat das mit Michael Baumeister zu tun? Mit Franz Lessbrück und all den anderen Opfern Ihrer gewalttätigen Bruderschaft?«
    Bauerschwan senkte den Blick. Fast schien es, als schäme sich der Abt. »Eine unvorhergesehene Nebenerscheinung, wie ich gestehen muss. Eine unbeabsichtigte Folge unserer bisherigen Experimente mit dem Vril. Ich kann es mir selbst nicht erklären, aber irgendwie haben einige Mitglieder unseres Kreises ein wenig zu viel Energie in sich aufgenommen. Und diese Kraft erweist sich als… unkontrollierbar. Bedauernswerterweise.«
    Er zögerte, schluckte. »Ich kann Ihnen aber versichern, dass dies niemals unsere Absicht war. Im Gegenteil: Gerade der Verzicht von Gewalt ist unser Ziel! Und wenn Sie erst sehen, was wir zu erreichen im Stande sind, werden auch Sie über die kleineren Kollateralschäden hinwegsehen können.«
    »Kleinere Kollateralschäden?« Astrid schrie fast. »Sie haben einen Polizeibeamten getötet! Einen Touristen auf dem Nürburgring grün und blau geschlagen! Und wer weiß, was noch geschehen ist. Und wofür das alles? Für irgendeine sagenumwobene Energie, die sie in alten Büchern erwähnt fanden?«
    Bauerschwan ließ sich nicht anmerken, ob ihn ihr vorwurfsvoller Tonfall beeindruckte. »Wer sich das Vril zu Nutze macht«, sagte er schlicht, »dem stehen alle Türen offen. Schon die Nationalsozialisten wussten dies und ergingen sich in Forschungen, die eine Nutzung des Vrils zum Ziel hatten.

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