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0897 - Monster-Maar

0897 - Monster-Maar

Titel: 0897 - Monster-Maar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Warum war er nicht gleich unten geblieben? Unten, wo er hingehörte und wo die anderen längst ruhten. Wo sie der Kraut mit all seinen Abfangjägern und Kanonen, mit seinen Plänen vom Tausendjährigen Reich und den Methoden zu dessen Verwirklichung niemals finden würde.
    »Weil Sie leben wollen, Harry«, antwortete Jackson auf die unausgesprochene Frage. »Weil Sie es können. Und weil es Ihre gottverdammte Pflicht ist, Mann.«
    Harrys Atem ging stoßweise. Seine Lunge, die so viel Wasser geschluckt und wieder ausgespuckt hatte, rasselte wie ein Ofenrohr, und allmählich machte sich die Nachtluft bemerkbar: Er zitterte wie Espenlaub, Resultat der nassen Uniform und seiner Erschöpfung. Mühsam drehte er den Kopf und blickte seinen Vorgesetzten an. Doch Jackson erwiderte den Blick nicht. Ungerührt starrte er weiter geradeaus, auf den See und die dahinter liegenden Wälder.
    Der Admiral öffnete den Mund, und mit einem Mal war jegliche Wut aus seiner Stimme verschwunden. Jackson klang ruhig und traurig. »Erinnern Sie sich noch an das, was der König zu uns sagte? Als wir bei ihm waren?«
    Natürlich.
    Halten Sie sie auf, Sullivan! Machen Sie dem Spuk ein Ende, bevor der Thüle-Orden findet, wonach er sucht. Wir wissen nicht, ob es ihm überhaupt gelingt, aber wir wissen eines: Wenn es gelingt, dann Gnade uns Gott. Uns allen.
    Der Thule-Orden… Vorgestern war das gewesen, und doch kam es Harry vor, als läge ein halbes Leben zwischen seiner schicksalhaften Audienz beim König und dem raschen Ende seiner geheimen Mission, hier am Ufer eines tiefen, nassen Lochs in Deutschland. Als wäre all das mit einem Mal nicht mehr von Bedeutung. Zumindest nicht für ihn. Wieder fielen seine Lider zu, und die Dunkelheit auf der anderen Seite begrüßte ihn wie einen alten Freund.
    Abermals riss Jacksons Stimme ihn aus dem Vergessen. »Sie hatten die Chance, einen Unterschied zu bewirken, Sully«, sagte er leise, und jedes Wort schnitt wie ein Messer in Sullivans Seele. »Bevor Sie gehen, fragen Sie sich doch einmal, ob Sie sie wirklich genutzt haben. Ob Sie alle Möglichkeiten, alle Alternativen durchdacht haben. Dann, und nur dann, ist der finale Abgang, den Sie sich gerade gönnen wollen, auch ehrenvoll.«
    Ein letztes Mal hob Harry Sullivan die Lider. Ben Jacksons jungenhaftes Gesicht war direkt über ihm. Der Admiral blickte auf ihn hinab, grinste ihn an. Sullivan schnappte nach Luft und formulierte die eine Frage, die ihm bereits seit Minuten auf der Seele lastete. Seine Stimme war so schwach, dass er sie selbst kaum hörte, und dennoch erschrak er über ihren fremden Klang. Über die Tiefe in ihr, die Resignation.
    »Wa… Was machen Sie hier, Admiral?«
    Jackson lächelte weiter, und das Weiß seiner Zähne verschmolz nach und nach mit dem Mondlicht, das sich im Wasser des Sees spiegelte. Das Glitzern seiner Augen wurde zu den funkelnden Sternen am Firmament. Und sein blondes Haar verschwamm mit den Wolken, die sich mit einem Mal über den Mond legten und den Admiral mit sich nahmen.
    Für einen Augenblick war es dunkel am Ufer des Laacher Sees. Selbst die Eule schwieg. Und Harry Sullivan, der einem Trugbild aufgesessen war, begann zu lachen. Er lachte über Adolf und dessen Wahnsinn. Er lachte über die verfluchte Reichsarbeitsgemeinschaft und den geheimen Zirkel, der hinter ihr steckte. Er lachte und lachte, bis seine Lunge schmerzte und seine Rippen zu vibrieren schienen, lachte, als seine Augen ein letztes Mal zufielen. Und er lachte noch, als er eins wurde mit der Dunkelheit, die auf der anderen Seite von allem auf ihn wartete.
    ***
    Das Licht kam nur langsam zurück, dafür aber quälend. Astrid stöhnte bei jedem Strahl von Helligkeit, der durch ihre Lider drang, auf. Sie wollte nicht sehen, wollte nicht wissen, was war. Sie wollte schlafen, nur schlafen. Sonst nichts.
    Ein stechender Schmerz bohrte sich in ihr Hirn und ließ sie zusammenzucken. Reflexartig riss sie die Augen auf, und für einen Moment raubte ihr das Licht die Sinne. Nach und nach bekam das Hell Konturen, zeichneten sich Umrisse und Formen ab, die ihr Hirn Gegenständen und Begriffen zuordnen konnte. Astrid sah…
    ... den Raum hinter der Klosterbibliothek.
    Und mit einem Mal waren die Erinnerungen wieder da. An die Dokumente und Zeichnungen, die seltsamen alten Bücher - und an die Stimme, die sie erwischt, an den Schlag, der ihr das Bewusstsein geraubt hatte. Für wie lange?
    Astrid wollte aufstehen, doch ihre Vorwärtsbewegung wurde von

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