0898 - Praxis des Teufels
beeindruckt.
»Es sieht hier eher aus wie in einem Sanatorium, Doktor«, meinte sie, als man sich im Büro des Arztes gesetzt hatte und die Vorzimmerdame einen Tee kredenzt hatte.
»Das ist eine ganz richtige Beobachtung«, sagte der offenbar chinesischstämmige Arzt ruhig und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Wir verstehen uns eher als eine Art Kurhotel denn als Klinik. Sie interessieren sich also für eine Schönheitskorrektur, Miss Duval? Darf ich Ihnen vorab sagen, dass ich das für ganz unnötig halte?«
»Das habe ich auch schon mehrfach gesagt, aber Nicole möchte unbedingt eine neue Oberweite haben!«, sagte Zamorra prompt, bevor Nicole irgendetwas hatte sagen können. Sie warf ihrem Gefährten einen bösen Iii ick zu.
»Das mache ich doch nur deinetwegen, Clun!«, erwiderte sie mit vorgeschobener Unterlippe. Sie schmollt entzückend , dachte Zamorra, für eine Sekunde abgelenkt. Doch die nach wie vor beinahe glühende Hitze des Amuletts brachte ihn schnell wieder zur Besinnung. Es war ganz klar: hier waren dämonische Kräfte am Werk. Eigentlich war Dr. Morcomb nichts anzusehen; aber das Amulett log in dieser Beziehung nicht. Eigentlich war Zamorra aufgrund der Hitze nur überrascht, dass es nicht bereits seine silbrig schimmernden Blitze verschossen hatte. Er beschloss, es nicht darauf ankommen zu lassen und nicht mehr allzu lange zu bleiben.
Er wandte sich wieder dem Arzt zu.
»Um ehrlich zu sein, Doktor Morcomb, wir überlegen noch, ob wir uns wirklich für Ihre Klinik entscheiden sollen. Wir haben auch noch ein paar andere Institute auf unserer Liste. Sagen Sie mir, warum wir uns für Sie und nicht für einen anderen Arzt entscheiden sollen,«
Er sah dem Arzt direkt ins Gesich, gespannt auf seine Reaktion.
Wenn er überrascht war, dann ließ sich Dr. Morcomb nichts davon anmerken. Er lehnte sich zurück und erwiderte Zamorras Blick scheinbar gelassen.
»Ich bin der Überzeugung, dass ich der Beste bin. Ich kann Ihnen auch gerne eine Referenzliste mit erfolgreich operierten Patienten überlassen.«
»Oh ja«, meinte Zamorra aufmerksam. »Darüber würde ich mich freuen.«
Dr. Morcomb zog aus einem Ablagekörbchen auf seinem Schreibtisch ein Blatt Papier hervor.
Zamorra nahm die Liste, faltete sie und steckte sie in die Innentasche seines Nadelstreifenanzuges. Dann erhob er sich und verabschiedete sich freundlich. Nicole folgte ihm und verabschiedete sich mit einem so charmanten Lächeln von Dr. Morcomb, dass dieser ihr sogar einen Handkuss aufdrückte.
***
Draußen blieben Nicole und Zamorra nicht stehen, um miteinander zu sprechen, sondern stiegen gleich in die Limousine, die sie fürs Erste wieder ins Hotel bringen sollte. Als der Chauffeur losfuhr, sahen Zamorra und Nicole sich an.
»Das Amulett hat sich erwärmt, nicht wahr?«
»Erwärmt ist gar kein Ausdruck. Es hat auf der Stelle geglüht , als Morcomb die Lobby betreten hat!«, meinte Zamorra. »Das glühende Amulett, diese fliehende Krankenschwester… Das Ganze kommt mir wirklich sehr seltsam vor, denn Merlins Stern war so heiß, dass er eigentlich hätte losgehen müssen. Aber irgendetwas schien Taran zurückzuhalten.«
»Vergiss nicht diesen seltsamen Schrein«, erinnerte ihn Nicole.
Zamorra wollte schon abwinken, doch Nicole ließ nicht locker. »Nein, Chéri, das solltest du hier in Hongkong nicht so abtun! - Das Gesicht war das Gesicht eines Dämons. Die Räucherstäbchen sind okay, aber da waren sonst keine Opfergaben. Eigentlich hätten da noch Blumen oder Früchte stehen sollen, aber das war da nicht der Fall - außer diesem vertrockneten Blütenzweig. Und der ist ein ganz übles Zeichen, normalerweise holt so etwas das Unglück förmlich herbei! Und ein Abdruck im Sand sah so aus, als hätte da ein Skalpell gelegen. Ich frage dich, was hat denn so ein Messer vor einer Teufelsgestalt zu suchen?«
Zamorra sah Nicole womöglich noch interessierter an, als er das meist sowieso schon tat. »Woher weißt du soviel über chinesische Mythologie?«
»Ach«, meinte Nicole leichthin. »Seit ich weiß, du eine ganz offensichtliche Schwäche für altchinesische Geisterfrauen wie deine Vampirzauberin aus Choquai hast, habe ich mich mal etwas mit chinesischer Mythologie befasst. Und eins habe ich dabei gelernt: Diese Figur war alles mögliche, aber der taoistische Heilige Wong Tai Sin war das sicher nicht. Taoistische Heilige sehen anders aus.«
Zamorra schwieg und sah nachdenklich aus dem Fenster. Er wollte Nicoles nicht
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