0898 - Praxis des Teufels
und ihre Augen schienen rot aufzuglühen. »Sind Sie sicher?« Debbie staunte. Miss Suttons Stimme klang jetzt mit einem Mal wesentlich intensiver als noch vor einer Minute. Zorn schien daraus zu klingen.
»Was soll das heißen - ihre Verwandtschaft will sich nicht damit abfinden?«
»Naja«, stammelte Debbie, jetzt völlig verwirrt von dem plötzlichen Stimmungsumschwung der jungen Frau. »Das kann bei großer Trauer schon einmal vorkommen, dass man die Gegebenheiten…«
»Ach, Unsinn!«, stieß Naomi Sutton jetzt verächtlich hervor. »Diese Frau war einfach nicht stark genug, um zu leben!«
»Bitte, was haben Sie da gerade gesagt?« Debbie starrte die junge Frau an. Vor einigen Tagen noch war sie eine junge Frau gewesen, die eher zurückhaltend gewirkt hatte und so, als sei sie eher ruhig und melancholisch veranlagt. Jetzt sprühten Hass und Verachtung aus ihren Augen und die Schwester hatte das Gefühl, dass die Iris dieser Augen für Momente rot aufblitzte.
Im nächsten Augenblick allerdings war dieser Eindruck wie weggewischt. Naomi Sutton sackte wieder in ihrem Bett zusammen und murmelte nur noch, wie müde sie sei und dass sie noch ein wenig schlafen wolle.
Debbie warf noch einen langen Blick auf die Kranke und verließ dann das Zimmer. Sobald es ruhiger war, musste sie diesem Professor Bescheid geben, wo man Mrs. Sorensen hingebracht hatte. Er musste jede Chance bekommen, diesen Alptraum zu beenden. Ein Alptraum, der sich von Minute zu Minute auszubreiten schien…
***
Was war nur mit ihr los?
Hatte sie gerade wirklich die Schwester angeschnauzt? Und das auch noch nur, weil einer Patientin dasselbe passiert war wie Gilliam?
Naomi rieselte ein Schauer über den Rücken. Das durfte nicht noch einmal geschehen. Doch sie hatte diese Attacken von Wut und Ärger schon seit der Operation. Sie kamen einfach so aus dem Nichts über sie und verschwanden so schnell wie sie gekommen waren. Ob das alles nur eine Reaktion auf die Anästhesie war?
Nein, das kann nicht sein , dachte sie. Irgendetwas anderes ist mit mir passiert.
Sie dachte an die Szene im Operationssaal zurück. Wieder fragte sie sich, ob das alles doch nicht nur ein Fiebertraum wegen der starken Beruhigungsspritze gewesen war, den alle Patienten vor der Anästhesie bekamen. War es doch die nackte, schreckliche Realität gewesen?
Naomi dachte mit großem Entsetzen an diese Szene zurück, an die roten Augen der Ärzte und Schwestern, an das für einen Operationssaal so unüblich rote Licht und auch an den Feuerwirbel oder was auch immer das gewesen war hinter dem OP-Scheinwerfer. Sie dachte an die Angst, die sie gehabt hatte, diese seltsame Spritze mit der schwarzen, teerigen Flüssigkeit, die man ihr in den Hals gespritzt hatte und am liebsten hätte sie laut aufgeschrien. Das Zeug fließt immer noch in meinen Adern! Ich hätte das fast vergessen! Ob es mich weiter vergiftet… ?
Doch im nächsten Moment zuckte ein Gedanke glühendheiß in ihrem Kopf auf.
Das Zeug war gut. Es wird dir in Zukunft sagen, was du zu tun hast. Überlass das Denken dem neuen Weg.
Naomi erschrak vor sich selbst. Sie durfte wirklich nicht vergessen, was sie hier eigentlich wollte, sie wollte den Tod ihres Geliebten Gilliam aufklären! Sie musste mit handfesten Beweisen zur Polizei. Und der konnte sie wohl kaum mit dem Verdacht kommen, sie sei (vielleicht) vergiftet worden - mit einem Mittel, das sie nicht kannte!
Ich muss trotzdem hier weg , schoss es ihr durch den Kopf. Ich darf nicht hierbleiben. Ich muss dieses Krankenhaus mit seinem schlechten Einfluss verlassen, unbedingt. Ja, dachte sie, das war die Lösung.
Weg hier, gleich morgen.
***
»Ja, danke, Debbie«, sagte Zamorra und legte den Hörer auf.
»Was wollte sie denn? Wir hatten uns doch vorhin erst getroffen.« Nicole, die gerade den Inhalt des Einsatzkoffers und die mit magischer Kreide angebrachten Schutzzeichen in den Ecken des Zimmers überprüfte, wandte sich an den Professor.
»Vielleicht haben wir einen Ansatzpunkt, an dem wir Dr. Morcomb fassen können. Die Patientin, die laut Debbie gestern nacht Opfer des Beschwörungsrituals geworden ist, liegt im Koma. Sie wird gerade ins Queen-Elizabeth-Hospital überführt, ein öffentliches Krankenhaus.«
»Und die Sicherheitsmaßnahmen in so einem Krankenhaus sind nicht so stark wie in der Hue Wan-Klinik.«
Nicole hatte sofort erfasst, was die Verlegung von Gloria Sorensen bedeutete.
»Ja, genau«, sagte Zamorra unternehmungslustig. »Ich werde
Weitere Kostenlose Bücher