0898 - Praxis des Teufels
»Und warum hat ihn dann noch keiner vernichtet? Ein Ministerpräsident der Hölle ist immer in der Gefahr, gestürzt oder vernichtet zu werden. Zum Beispiel von dir«, fügte sie spitz hinzu. »Und umso einfacher wäre es doch, ihn loszuwerden.«
»Sicher«, meinte Fu Long mit kaum verhohlenem Spott. »Mademoiselle Nicole, bitte bedenken Sie die Umstände: kaum einer weiß etwas davon, selbst mein Spion hat nur Indizien für diesen Umstand, keine Beweise. Und niemand vorher wusste genau, wieviel Macht er wirklich hat. Das ist so geblieben. Und ich muss sagen, wenn ich ihn vernichte, dann würde ich es vorziehen, ihn ein für alle Mal tot zu sehen. Nicht, damit ich seinen Platz einnehmen könnte, daran bin ich nicht interessiert. Mein Interesse gilt einzig und allein der Rache.«
»Du wolltest also einfach noch ein wenig zugucken, wie Lucifuge Rofocale Menschen umbringt, bevor du etwas unternimmst.« Nicole gab nicht nach.
Fu Long warf ihr einen langen Blick zu und wandte sich dann wieder an Zamorra. »Ich hoffe, du denkst etwas subtiler als deine Gefährtin. Du hast bereits einmal abgelehnt, mit mir zusammen gegen diesen Teufel anzutreten, wirst du das jetzt wieder tun?«
Zamorra antwortete beinahe augenblicklich. »Fu Long, ich kann nicht mit dir zusammen gegen Lucifuge Rofocale antreten. Ich will auch nicht aus persönlichen Gründen gegen ihn vorgehen, denn bisher ließ er mich in Ruhe, wenn ich ihn in Ruhe ließ. Ich bin kein Geschöpf der Schwarzen Magie.«
»Das wollte ich auch nie sein«, entgegnete Fu Long. Eine gewisse Bitterkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Ich weiß«, sagte Zamorra mitfühlend. »Aber so ist es nun einmal. Davon abgesehen, dass ich nicht verantworten kann, mit dir Seite an Seite zu kämpfen, auch wenn ich dich vielleicht schätze, wissen weder du noch ich, wie stark dieser Dämon wirklich noch ist. Du sagtest es doch gerade selbst, er war schon vorher gefährlich. Das ist sicher nicht besser geworden!«
Fu Long zauderte, das war zu sehen. »Wir werden also dieses Mal getrennt voneinander gegen diesen Erzdämon vorgehen. Ich kann das nicht als kluges Verhalten bezeichnen, Zamorra.«
Zamorra seufzte und wechselte einen Blick mit seiner Gefährtin. »Nein, vielleicht ist es das nicht. Aber ich kann nicht anders. Bitte hab Verständnis dafür.«
Fu Long überlegte eine Weile. Es war offensichtlich, dass ihm Zamorras Entscheidung nicht gefiel, aber dass er auch keine Möglichkeit sah, sie zu ändern.
»Nun gut. Ich frage nicht noch einmal, warum du hier bist, Zamorra - du hast klargemacht, dass du auf der Seite der Menschen stehst und diese davor bewahren willst, für die Zwecke der Hölle, in diesem Fall Lucifuge Rofocale selbst, eingespannt zu werden. Du kämpfst also gegen ihn?«
Zamorra stutzte einen Moment, doch dann lachte er auf. »Moment, mein Freund, so haben wir nicht gewettet! Nicole und ich dachten zunächst einmal daran, Lucifuges Treiben hier zu unterbinden. Das heißt, unser erstes Ziel wäre Dr. Morcomb, denn er ist offenbar der Kanal, durch den Lucifuge hier auf der Erde sein Unwesen treibt.«
Fu Long zog die Augenbrauen hoch. »In der Medizin würde man sagen, du dokterst an den Symptomen herum, statt die Krankheit zu heilen.«
»Ich habe mit der Höllenhierarchie nichts zu schaffen«, schoss Zamorra zurück, »ich soll die gute Seite der Welt stärken. Wenn ich dazu beitrage, Lucifuge Rofocale zu besiegen, was habe ich dann unterm Strich gewonnen? Dann wird ein anderer Dämon daherkommen und seinen Platz einnehmen - für mich in meinem Kampf ist damit nichts gewonnen. In erster Linie schütze ich vor Schwarzer Magie, ich bekämpfe sie nicht. Und bevor du jetzt darauf hinweist, dass du das auch nie wolltest - du willst persönliche Rache, mit der ich ebenfalls nichts zu tun habe.«
»Nun gut«, lenkte Fu Long ein. »Ich denke, wir gehen ab hier bei dieser Sache einfach getrennte Wege. Du kümmerst dich um die Menschen und darum, diesen Arzt des Teufels auszuschalten. Ich werde mich mit Lucifuge Rofocale befassen.«
Damit stand er ohne ein weiteres Wort auf und ging in Richtung des Restaurantausgangs. Nicole und Zamorra sahen ihm nachdenklich hinterher. Doch obwohl sie das taten, war Fu Long mit einem Mal hinter einem Kellner verschwunden, noch bevor er dort angekommen war.
Er war nicht mehr zu sehen.
»Ich hasse es, wenn er so was tut«, murmelte Nicole.
***
Die Hue Wan-Klinik wurde von der Abendsonne rot angeleuchtet.
Als Debbie Chen von
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