0898 - Praxis des Teufels
ebenfalls nicht versuchen, Lucifuge Rofocale endgültig zu besiegen. Vielleicht schaffe ich es, ihn fürs Erste aus dem Feld zu schlagen, wenn ich nur auf ein Patt hinarbeite…
***
Dr. Gerald Morcomb hatte seine Sekretärin nach Hause geschickt und war noch allein in seinem Büro geblieben. Er musste nachdenken, ob er auch das Richtige tat. Bis vor einigen Tagen noch war er davon überzeugt gewesen, niemand brachte ihn mit den Koma-Patienten in Verbindung und keiner hatte sich etwas dabei gedacht.
Doch jetzt überfielen ihn Zweifel. Diese Geschichte mit Mrs. Sorensen war nicht gut gewesen - der Dämon wurde zu unverschämt! Der Komafall war zwar der Hongkong Daily keine Schlagzeile wert gewesen, aber für einen kleineren Artikel auf der Seite »Lokales« hatte es gereicht. Und der Reporter hatte herumgeschnüffelt - und aufgedeckt, dass es bereits mehrere solcher Fälle bekannt geworden waren!
Das würde die Klinik potentielle Kunden - wie diesen französischen Professor heute morgen und seine entzückende Assistentin - kosten und damit auch seine Reputation schädigen! Eigentlich war es doch auch für einen Dämon nicht allzuschwer zu verstehen, dass das den Wünschen und Absichten aller Beteiligten zuwiderlief.
Es sah ganz so aus, als müsse der magische Schutzschild erneuert werden, der die Klinik umgab. Morcomb dachte nicht zum ersten Mal an den Feng Shui-Experten zurück, der diese Klinik hier eingerichtet hatte. Offensichtlich verstand der Mann etwas von seinem Handwerk, denn er hatte den Schrein unten empfohlen - und auch den Teufel dort hinein gesetzt. So umgab das Sanatorium jetzt eine magische Schutzglocke, die schwarze Magie darinnen hielt und sie verstärkte, wenn sie angewandt wurde. Weiße Magie dagegen wurde geschwächt. Eigentlich hatten die Maßnahmen, die der Feng Shui-Meister damals empfohlen hatte, das Gegenteil bewirken sollen, aber Gerald Morcomb war in Hongkong geboren und kannte sich bestens mit Geisterbeschwörungen aus.
So hatte das Krankenhaus jetzt einen Schutzschild gegen weiße Magie. Aber anscheinend hat es auch einen gegen schwarzmagische Kräfte nötig , dachte Morcomb sarkastisch. Denn Lucifuge Rofocale schien immer mehr Kraft für was auch immer zu brauchen. Ich habe mich verpflichtet, ihm diese Kraft zu geben. Im Austausch wollte ich nichts weiter als der bekannteste Chirurg auf meinem Gebiet werden. Ich bin auf dem besten Wege dazu, ich sollte niemanden daran hindern, mir dabei zu helfen. Aber wozu brauchte der Erzdämon so dringend Energie, Magie war doch bei so mächtigen Wesen nichts, dass Quellen von außen benötigte. Und schon gar keine, die sichmit Menschenkraft aufrecht erhalten ließ.
Ich denke, hier haben wir eine Schwachstelle des Dämons , dachte Gerald Morcomb. Vielleicht die Schwachstelle, die ich ausnutzen sollte.
***
Zamorra schlich sich durch die dunklen Gänge des Queen Elizabeth-Krankenhauses.
Die Besuchszeit war schon lange vorbei und obwohl draußen auf den Straßen noch lebhafter Verkehr war, war hier im Krankenhaus schon die Nachtruhe eingekehrt, die nach dem Abendessen in der Regel einkehrte.
Zamorra bewegte sich vorsichtig durch die Flure, die jetzt um diese Tageszeit nur noch gedämpft beleuchtet waren.
Er war ungesehen an der Pförtnerloge vorbeigekommen - der magische Trick, der ihn unsichtbar machte, verhinderte, dass seine körpereigene Aura sich nicht über die physischen Abgrenzungen hinausbewegte. Ein Trick, den er einst von einem tibetischen Mönch gelernt hatte. So war er für die wenigen Leute, denen er um diese Uhrzeit auf den Gängen begegnete, nicht wirklich unsichtbar, sie bemerkten ihn nur nicht - es sei denn, sie berührten ihn. Doch das vermied Zamorra sorgfältig. Und selbst wenn es passiert wäre, sie hätten ihn im nächsten Moment auch schon wieder vergessen gehabt.
Der Meister des Übersinnlichen dankte seinem tibetischen Mentor wieder einmal in Gedanken und suchte die Intensivstation. Da er nicht fragen konnte, dauerte es etwas, bis er Gloria Sorensen in dem großen Krankenhauskomplex gefunden hatte, aber schließlich konnte er direkt hinter einem Arzt in die mit einem Code gesicherte Intensive-Care-Station hineinschlüpfen. Dank der Bezeichnungen am Ende der Betten hatte er Gloria Sorensen schon bald zwischen den anderen Patienten ausfindig gemacht. Die Krankenschwester, die an einem Schreibtisch Wache hielt, sah kurz auf, als der Arzt den Raum betrat, grüßte und wandte sich wieder ihren Krankenberichten zu. Zamorra
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